01.01.20

Als ich eben in meinem Bett aufgewacht bin, dachte ich kurz, dass ich das alles nur geträumt habe, bis ich meinem Spiegelbild beim Zähneputzen begegnete. Ich traf den Mund nicht, weil meine Augen an den kurzen Haaren klebten. Selbst nüchtern sah das immer noch gut aus. Eine Seite wie stoppelig rasiert, weil ich mich dort in der Länge verschätzt hatte, darüber aber stufig längere, die ich mir gerade noch hinters Ohr klemmen konnte, und der Rest passte irgendwie dazu, obwohl nichts daran symmetrisch war. Mit Haarlack könnte ich mir auch einen kleinen Iro machen, hatte Thomas gemeint, aber das werde ich schön bleiben lassen.
Noch bemerkenswerter als meine Frisur war die Tatsache, dass ich ausgeschlafen war. War war war. War was?
Das Gefühl hielt den ganzen Tag an, auch in der Arbeit. Wobei dort die erschrockenen Gesichter meiner Kolleginnen dazu führten, dass mir am Ende der Schicht schon die Mundwinkel vom vielen Grinsen weh taten. Die aufgerissenen Augen, die Hände vor dem Mund, die daneben gekippte Muttermilch.
„Was denn?“, fragte ich in die Runde.
„Und das Pflaster am Hinterkopf? Am Haaransatz?“
„Ach, kannst du mir das bitte abmachen? Das war ein doofer Scherz vom Friseur. Das ist seine Trademark, oder so. Ist eine Anspielung auf Pulp Fiction, nicht weil er mich geschnitten hätte – Au!“ Ich rieb mir den Nacken. „Danke.“
„Du, da steht tatsächlich eine Adresse drauf. Auf der Innenseite über der Wundauflage.“ Tina kicherte. „Und bei dem warst du?“
„Nein, der war bei mir im Haus. Wieso, was steht denn da?“ „Du trägst jetzt Ostfriese.“

Okay, mir fallen die Augen zu. Es fühlt sich unbeschreiblich gut an, sich von dieser Schwere einfach mitreißen lassen zu wollen, wohin auch immer. So darf das Jahr gerne weiter gehen.

© Jens Prausnitz 2023

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