Ab heute liegt alles für 14 Tage lahm. Alle? Nein, natürlich nicht. Pflegende müssen weiter ran.
Die Straßen sind wie leergefegt. Wie in einem Horrorfilm. Surreal. Auf dem Weg zur Arbeit habe ich paradoxerweise so etwas wie Atemnot, dabei bin ich nirgendwo so sicher, wie draußen. Aber eben auch allein. Die wenigen Menschen, denen man begegnet sind so verunsichert in sich versunken, wie ich selber. Man wendet den Blick ab, wenn sie einen ansehen, dabei stellt man sich vermutlich gerade die gleiche Frage: Wieso bist du draußen?
Was mache ich eigentlich, wenn ich in eine Polizeikontrolle gerate? Gibt es überhaupt welche? Habe noch keine Streife gesehen.
Da sich bei uns keine Patientenexplosion abzeichnet, spenden wir unser knappes Material an andere Kliniken, die es dringender brauchen. Wir behalten uns nur eine Notreserve und sparen so gut wir können.
War noch unruhiger auf dem Nachhauseweg, als gestern auf dem Hinweg. Als würde es mich schütteln. Restaurants, Kinos, Schulen und Kitas. Alles zu. Habe die Stadt noch nie so leise erlebt. Man könnte mit dem Fahrrad zur Klinik fahren, mitten auf der Straße.
Die Bundeskanzlerin begibt sich in Quarantäne, weil bei ihrem Arzt eine Infektion nachgewiesen wurde. Läuft ja prima.
Habe mir Essen bestellt. Beim Chinesen. Nicht weil ich besondere Lust aus asiatisch hätte, sondern aus Solidarität.
Kein Auge zugetan. Und trotzdem wieder zur Arbeit.
© Jens Prausnitz 2023