16.01.20

Die letzten Tage habe ich tatsächlich getrauert, allerdings nicht um meinen Großvater, sondern um Neil. Ich habe alle Alben rauf und runter gehört, versucht zu trommeln, es aufgegeben, die Texte gelesen – nein, studiert. Was für ein Vermächtnis! Und es gehört uns allen. Das ist ein Erbe. Von meinem Großvater ist mir nichts geblieben, und sei es auch nur ein Gedanke. Das macht mich traurig, und das finde ich gut so.
Mutter kam mich abholen und wartete im Wohnzimmer, während ich mich anzog. Falsches Hosenbein. Dann zum Glück gesehen, dass ich ein Loch am Arsch habe. Also andere Hose. Aus dem Wäschekorb. Verdammt.
„Dauert’s noch lang?“, kam es von nebenan.
„Bin. Gleich. Bei. Dir“, sagte ich auf einem Bein hopsend.
„Was ist denn das für eine Voodoo-Puppe, die hier auf dem Tisch liegt?“
„Bitte was?“
„Da stecken Nadeln drin …“
„Das sind meine Haare. War ein Geschenk.“ Nach kurzer Pause fügte ich sicherheitshalber hinzu: „Ist eine lange Geschichte.“
„Silvesterüberbleibsel?“
„H-hm.“
„Und das bist du?“
„Keine Ahnung.“
„Wäre vielleicht gut, vorsichtshalber keine Nadeln drin stecken zu lassen.“
„Ich wusste nicht, was ich sonst damit machen sollte“, sagte ich und nahm ihr die Nadeln wieder ab, die sie gerade herausgezogen hatte und steckte sie zurück in mein kleines Abbild. „Au!“
„Sehr witzig, Junge.“
„Entschuldige, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen.“
„Was ist los? Du wirkst so abgelenkt.“
„Ach, ich hab da wen kennengelernt. Wobei, das ist eigentlich zu viel gesagt.“
„Aber du würdest gern?“
Ich nickte.
„Wo hast du sie denn kennengelernt? Jetzt rede schon, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“
„In der Bibliothek.“
„Ist mir schon sympathisch.“

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