28.01.20

Das Coronavirus ist in München bei einem weiteren Mitarbeiter festgestellt worden. Verdammte Kacke. Radio wieder aus. Morgennachrichten einschalten nach dem Aufstehen war eine schlechte Idee. Ich sollte mir lieber eine Platte auflegen, während ich Eier in die Pfanne haue.
Bei uns ist heute ja auch wer krankheitsbedingt ausgefallen, und ich springe kurzfristig ein, obwohl die Nachtschichtpause noch gar nicht herum ist. Es seien gerade einfach nur zu viele im Urlaub oder anderweitig ausgefallen. Anderweitig? Natürlich denkt man als erstes an Erkältungssymptome und bereut die spontan gegebene Zusage vom Vortag.

Dann ist man den ganzen Weg zur Arbeit schrecklich nervös, wo man mit einer ethisch verwerflichen Erleichterung erfährt, dass sich die Kollegin nur beim Vorhänge abnehmen einen Hexenschuss zugezogen hat und sich kaum bewegen kann. Ich war aber nicht der einzige, der deswegen während der Übergabe etwas zu laut gekichert hat.
Das Kichern ist mir dann bald vergangen. Von dem Gerücht über einen neuen Rettungssanitäter, der erst kürzlich hier seinen Einstand gegeben habe, hatte ich bereits gehört. Also nur neu, nicht im Sinne von jung. Ein alter Hase, sähe aus wie ein Schauspieler.
„Wie James Bond“, sagte Schwester Erika. „Welcher?“, fragte ich.
„Na der Brite.“
„Waren die nicht alle Briten?“
„Nicht dieser eine …“
„Pierce Brosnan?“
„Nein, der andere.“
Ich gab es auf und würde ihm ja früher oder später über den Weg laufen. Also heute. Als er gerade im Behandlungszimmer einem Kind eine Haarsträhne hinter das Ohr klemmte. Mein Herz blieb stehen, weil ich es bereits wusste, bevor ich auch nur seine Stimme hörte. Rothe. Anton Rothe.
Es war auch gar nicht mein Herz, das stehenblieb, sondern meine Beine. Wie festgefroren stand ich in der Tür und wollte auf der Ferse kehrt machen, aber es gelang mir nicht.
„Das wird schon wieder“, sagte Anton Rothe gerade zu dem Kind. Ich erkannte seine Stimme auch nach 30 Jahren problemlos wieder, ohne sein Gesicht zu sehen.
Weil das Kind mich ansah, wie ich zur Salzsäule erstarrte, drehte sich jetzt auch Rothe zu mir um.
„Geht es dir gut? Du bist ja leichenblass, als hättest du ein Gespenst gesehen.“ Dann wendete er sich wieder seinem kleinen Patienten zu. „Siehst du? Um den muss man sich mehr Sorgen machen, als um dich.“

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