Erste Lesung

Verhält es sich mit Lesungen eigentlich ähnlich, wie mit Gesetzen? Wer dreimal gelesen hat, gilt als gesetzter Autor? Muss dem der Bundesrat zustimmen? Oder die … Literaturinnung? Wie dem auch sei, nach der Lesung ist vor der Lesung (oder wie in meinem Fall eher weiter an der anderen Hälfte werkeln). Am 25.09.2023 war noch ein Vorbericht im Vilshofener Anzeiger erschienen, den man online lesen kann (Paywall).

Passend zum Tag der Deutschen Einheit stelle ich hier noch schnell die angekündigte Audioaufzeichnung der Veranstaltung auf die Seite (die mp3-Datei lässt sich mit-Klick auf das klitzekleine Wölkchen-Symbol herunterladen):

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Seitenwechsel

Heute in vier Wochen ist es so weit: Meine erste Lesung steht an. Nur mit mir in einer ungewohnten Rolle als Vorlesender, nicht Zuhörer. Der Literaturkreis um Frau Kaufinger und Frau Eckl hat mich spontan eingeladen, und ich habe ebenso spontan zugesagt; der Schreck kam später :)

Wer also am 27.09.2023 um 19:30 Uhr noch nichts vorhat und die Stadtbücherei in Vilshofen findet, der ist herzlich eingeladen vorbeizukommen, der Eintritt ist frei. Auf das Mitführen von fauligem Gemüse bitte ich zu verzichten, Wortspenden werden dankend entgegengenommen.

Was kann man erwarten?

Nun, ich werde sicher häppchenweise aus dem Buch vorlesen: lustiges, ernstes, nachdenkliches. Dazwischen ist Raum für Fragen, denen ich nicht ausweichen werde, Erläuterungen zum Schaffensprozess (der Wandel vom Drehbuch zum Roman war für sich schon sehr, äh dramatisch), wie und warum ich manche Entscheidung so und nicht anders getroffen habe, wo und wie sich das Autobiografische mit Fakt bzw. Fiktion vermischt, sowie exklusives Bonusmaterial. Richtig gelesen, ich werde auch einen verworfenen Anfang anlesen, aus meinem Schreibtagebuch zitieren, und wenn es die Zeit erlaubt, auch bereits Material aus der Fortsetzung ERDENKINDER vorstellen.

Eine Audioaufzeichnung davon werde ich danach hier veröffentlichen, also wer es nicht schafft, kann sich die Veranstaltung danach anhören und bei Bedarf vorspulen.

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Was lange gärt…

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… verwandelt sich. So war es auch mit dieser Geschichte von vier Jugendlichen, deren Leben sich 1989 im Flüchtlingslager in Vilshofen kreuzten. Es fing mit einer Zeile in einem anderen Drehbuch an, wo ein Trabi durch’s Bild fuhr, was dann folgte war viel Recherche und ein paar Interviews. Danach gab es kein zurück mehr, und zwei Anläufe aus dem Drehbuch einen Film zu machen scheiterten. Das und mehr ist hier im Blog ausführlich dokumentiert, also wieso gibt es jetzt einen neuen Eintrag?

Weil aus dem Drehbuch ein Roman geworden ist. WUNSCHKINDER heißt er, und dessen vorletzte Fassung kann man ab Ende Dezember 2022 hier lesen, kommentieren oder auch Fragen stellen, die ich dann gerne beantworte. Die final überarbeitete und korrigierte Fassung erscheint dann voraussichtlich um Ostern 2023 herum, und das werde ich hier natürlich wieder frisch verlinken.

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Leidensgesellschaft

Die wichtigen Menschen im eigenen Leben teilen oft das undankbare Schicksal, dass die Welt nie etwas über sie erfährt, dass sie ewig im Schatten ihrer Schützlinge stehen. Sie agieren im Hintergrund, sind einem Stütze und Anlaufstelle, selbst wenn sie sich nur nach einem erkundigen, einem zuhören und so doch elementar den Rücken stärken. Sie sind selten “Rampensäue” die sich nach vorne drängeln. Wenn Georg nach vorne kam, dann entweder um uns zum Lachen zu bringen, oder um uns zu ermahnen.

Gerburtstagsschos
Geburtstagsschos

Georg Bergmeier war für mich mehr als nur mein Deutschlehrer. Mehr als nur Leiter meines Abiturjahrgangs. Ohne ihn hätte ich nicht das Schreiben als Ventil für den damals in mir herrschenden Überdruck entdeckt. Im Tiefdruckgebiet des Gymnasiums waren manche Stunden bei ihm wie Inseln voller Sonnenschein, wo man hitzig diskutieren oder ebenso gut im Schatten vor sich hin dämmern konnte.

Von Vilshofen aus verschwanden dann viele von uns in die Welt hinaus, manche schafften es gar bis Aunkirchen, andere nur bis Warschau. Im Herzen behielt er uns alle. Erinnerte sich an mehr Namen als ich mir jemals ausdenken werde, und jeder von ihnen ist ein echter Mensch, dem er begegnet ist. Letzten August sah ich ihn zum letzten Mal, mit meinem Sohn an der Hand auf dem Weg ins Freibad. Oder war es danach, als ich ihn nach gemeinsamen Kaffee und Kuchen nach Hause begleitete, wir uns zum Abschied die Hand gaben und einander nicht los ließen, als hätten wir in dem Moment gewusst es ist das letzte Mal das wir uns sehen? Oder ist das schon wieder eine Erzählung, der Beginn einer Verklärung von erlebter Geschichte, die in der Rekonstruktion lebendiger und echter wird als sie jemals war?

Es verschwimmt alles vor meinen Augen, die Tränen machen es mir unmöglich klarer zu sehen. Und das ist gut so, denn dann sehe ich ihn mit dem Herzen. Und mit dem Herzen sieht man immer unscharf, die harten Grenzen und Konturen verlaufen, es ist die Unschärfe, die uns zueinander führt, die uns für andere öffnet. Da standen wir und ich wollte nicht gehen, nicht loslassen. Er sah mich gern, das spürte ich, und es war fast ein bisschen unangenehm. Ich weiß nicht was ihn trauriger machte, dass mich die Welt nicht so mit offenen Armen empfing wie er angenommen hatte, oder dass ich es wieder versuchte, erneut den Schritt in die Welt hinaus tat, statt noch ein bisschen länger bei ihm zu verweilen, um aufzutanken vielleicht? In Erinnerung blieb mir, wie er einmal nach einem Treffen mit mir sagte, er ginge jetzt noch an die Donau spazieren um ein bisschen zu weinen. Ich weiß nicht mehr ob er das mit dem Weinen tatsächlich gesagt hat, oder ob es nur so überdeutlich zwischen den anderen Worten mitschwang, so deutlich, dass man es hören konnte. Dieser Nebensatz tat weh. Es klang so traurig und einsam, als entspränge ein ganzes Donauhochwasser allein seinen Tränen. Immer noch hielt er meine Hand, und da war Zweifel in seinen Augen, ob er, der kinderlose die richtigen Abzweigungen in seinem Leben genommen hätte. Ich meine gesagt zu haben, dass er doch mehr Kinder als andere habe, und die im Gegensatz zu echten freiwillig zu ihm zurück kämen – und dann war es da: sein bezauberndes, gewinnendes Lächeln. Niemand konnte so lächeln wie er. So breit, so leuchtend, so unbedingt für sich einnehmend. Das war die beste Medizin. Wenn man ihn zum Lächeln bringen konnte – ach was, Lächeln! Dieses breite, umfassende, freche, überbordende, leuchtende Grinsen, das direkt aus dem Herzen kam und einen mitten ins Eigene traf, dieses Grinsen zu sehen war Belohnung und Segen, das man sich gerne verdiente, so sehr wärmte und tröstete einen dieser Anblick. Mit diesem Lächeln hätte er Karriere in Hollywood machen können. Stattdessen guckte es sich der spätere Oscarpreisträger Dustin Hoffman 1974 bei einer gemeinsamen Radltour in Berchtesgaden von ihm ab. Welch bodenlose Frechheit! Aber wir wissen, dass er an das Original niemals heran reicht. Das hat uns jetzt hoffentlich alle noch einmal zum Lachen oder Schmunzeln gebracht. Seht es vor euch, dieses unnachahmliche Grinsen.

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Wartburg

Diesen Januar war ich mehrere Tage in Berlin, um meine Nase in Stasi-Unterlagen zu stecken, wie ich hier in einem Artikel vor knapp 2 Jahren einmal angedeutet habe. In der Zwischenzeit hatte ich das völlig vergessen, und wurde ausnahmsweise mal auf dem rechten Fuß erwischt, da sich dort die Pforten für mich öffneten, während sie sich woanders gerade schlossen. So widme ich also im Augenblick meine Aufmerksamkeit diesem Projekt:

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Ich hätte nicht gedacht, dass gerade dieses Projekt meinen Hauptfilm links überholen würde, aber wenn dem so ist, lasse ich mich doch gerne davon mitreißen. Gesagt, getan, gelesen. Drei Tage lang sondierte ich 4000 Seiten an Akten, machte Notizen und orderte Kopien, die mich im Laufe des nächsten Monats erreichen sollten. Und so viel ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits sicher: Ein Kurzfilm ist das nicht mehr. Dafür ein feines kleines Roadmovie, das ebenfalls im September 1989 spielt, nur nicht in Bayern, sondern in Ungarn.

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