12.01.20

Weil ich gestern das Gedankenkarussell nicht abstellen konnte, brauchte ich zum Einschlafen etwas stärkeres, als knisterndes Papier. Ich versuchte es auf gut Glück mit einem ASMR „Rollenspiel“, mit denen ich bisher nichts anfangen konnte. Genauer: mit einem Haarschnitt-Video. Diesmal muss wohl irgendwas anders gewesen sein. Also abgesehen vom Tod meines größten Idols. Das Video brachte mich in die Silvesternacht zurück, als er noch lebte. Außerdem nur zu dem angenehmen Teil, und ganz für mich, ohne Publikum drumherum. Ich konnte mich da hineinfallen lassen, dieses Mal gänzlich freiwillig. Und ausreichend Sicherheitsabstand. Waren das jetzt etwa diese „Tingles“, die ich da spürte? Dieses Kribbeln in mal größeren, mal kleineren Wellen, von denen man nie vorher weiß, an welcher Stelle am Kopf sie sich brechen? Als würde ich steif wie ein Surfbrett auf dem Wasser treiben und ein Delfin Luftblasen unter meinen Körper pusten. Toter Mann sagt man eigentlich dazu. Ich verdrängte den Gedanken, und wollte im Meer bleiben. Ich könnte schwören, dass ich den Kamm an meiner Kopfhaut gespürt habe, als würde mich ein Leichenbestatter vor der Beerdigung herrichten. Kein Wunder, dass ich dann langsam in einen Albtraum hinüberdämmerte.
Etwas trieb mich in den Keller vom B-Bau. Ich musste dort etwas abholen und dann ausliefern. Ich wusste nicht einmal wohin, geschweige denn was überhaupt! War es groß oder klein? Schwer oder leicht? Irgendwie konnte beides gleichzeitig richtig sein. Nein, es war bestimmt schwer, aber ich hatte überhaupt keine Kraft mehr, fühlte mich zittrig. Und Hunger hatte ich auch noch. Oder war eigentlich ich hier die Lieferung?
Der Boden war diesmal aufgeräumter, nur vereinzelte Urkunden waren darin festgetreten, kleben dort fest. Im Lehm? Der Boden ist nicht mehr gefliest, sondern nacktes Erdreich.
Hier unten ist es gefährlich. Für mich. Es ist nicht mein Hunger, der mich von der Kaffeemaschine hergeführt hat, sondern etwas hat vor mich zu verspeisen, wenn es mich erwischt. Dessen Hunger ist so groß, dass ich ihn für meinen eigenen gehalten habe, kann das sein? Ich bin nicht der erste, der versucht hier etwas zu holen.
Als das Licht vom Ofen aufflackert, erkenne ich eine Ehrenurkunde, irgendwas mit Sport, aber die Tinte ist verlaufen, ich kann weder den Namen noch die Sportart entziffern. Dafür in doppelter Ausführung. Ich ziehe die Schuhe aus, um mich an der Küche vorbei schleichen zu können, der einzigen Lichtquelle hier unten, als ich knackende von dort kommende Geräusche wahrnehme. Klingen so brechende Knochen? Rippen? Ein unterdrücktes Stöhnen. Der arme Kerl lebt noch! Und ich kann ihm nicht helfen. Oder nur, indem ich den Auftrag ausführe.
Der Lehmboden ist zu meiner Überraschung warm, warm und glitschig, gibt ein wenig unter meinem Gewicht nach, und ich wate wie durch Treibsand – nein robbe wie auf Algen an dem Lichtspalt vorbei ins rettende Dunkel. Ich muss mich weiter vortasten, jetzt auf allen Vieren, versuche die Türen zu ertasten, aber es sind gar keine da. Das sollte mich wundern, tut es aber nicht. Am Ende ist ja der Aufgang ins Treppenhaus, dort muss es irgendwo sein, wie man das im Traum eben so weiß. Dort waren jetzt aber zwei Aufgänge. Woher ich das wusste, weiß ich nicht, weil sehen konnte ich nicht mal die Hand vor Augen. Aber ich wusste sicher, dass ich nicht den falschen erwischen dürfte, oder es wäre aus mit mir. Obwohl es warm war fröstelte ich und hielt inne. Andere wie ich waren mir auf den Fersen und würden mich bald einholen, verdammt!

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