27. Oktober 2019 – Nachtschicht

Die Nachtschicht nach der Zeitumstellung ist immer die Schlimmste, obwohl sie wieder die richtige Länge hat. Einmal, weil sich die eigene innere Uhr noch nicht angepasst hat (wie denn auch?), und dann hat es einfach mehr Unfälle, und wir entsprechend mehr Patienten. Die Leute sind gereizt und – da, es geht schon los!

Lebensmittelvergiftung, Armbruch, Verstopfung. Tropf, Beobachtung, Gips, Einlauf. Eine Aufnahme, zwei wieder gegangen, drei Stunden später alles so ruhig, dass man doch die aktuellen Hochrechnungen anguckt. Das war der dümmste Wahltermin, den man sich in Thüringen aussuchen konnte. Alle unausgeschlafen, gereizt und nicht zurechnungsfähig in den Wahlkabinen. Anders kann ich mir den Ausgang nicht erklären. Nach der ersten Prognose hatte ich schon die Schnauze voll und bin auf dem Weg zur Arbeit beinahe angefahren worden.

Es ist immer das Gleiche, wie schon nach der Österreich-Wahl, oder jeder anderen auch. Es gibt längst keine Entschuldigungen mehr dafür immer die Idioten zu wählen, mit Protest hat das doch nichts mehr zu tun, der rechte Arm dieser Wähler hat sich doch längst wieder versteift, da versteckt niemand mehr seine Gesinnung. Ergebnis verdoppelt. Als stünden nicht gerade dieser Landesverband mit seinem Führer für etwas, das dem Grundgesetz widerspricht. Und wir nehmen das schon wieder als viel zu normal hin. Als könnte man bei Menschenrechten schlicht anderer Meinung sein. Entweder man tritt dafür ein, oder sie mit Füßen.

Vor allem ist Halle gerade mal zwei Wochen her. Ist da in Thüringen niemand vor sich selber erschreckt? Wenigstens ein bisschen? Ist das bereits die neue Halbwertszeit unserer Wahrnehmung, unsere aktuelle Aufmerksamkeitsspanne, 14 Tage plus minus? Könnten da bitte mal die Halbwertszeiten von Atommüll und dem tausendjährigen Reich tauschen? Dann könnten Minderheiten in diesem Land ruhig schlafen und ich wäre ein Befürworter von Kernenergie.

Wenigstens die FDP scheint weiter draußen zu bleiben, wenn auch knapp.

Verdammte Wahlen. Die einzigen Wahlen, die jemals einigermaßen transparent für mich waren, sind die zum Kollegsprecher gewesen. Nicht weil die anders abliefen als die Klassensprecherwahlen zuvor, sondern weil wir uns inzwischen kannten, und wussten wie wir tickten. In den ersten Schuljahren reichten noch bloße Sympathien aus, um zu gewinnen. Wer einen Freundeskreis mitbrachte, hatte Vorteile. „Weil sie mich kennen.“ Den Spruch hat sich die Bundeskanzlerin von Klassensprecherwahlen geklaut. Vielleicht wirkt sie deswegen so vertraut auf einen, weil sie mit einem zur Schule gegangen ist. Dagegen kam man mit sachbezogenen Vorschlägen kaum an, oder musste sich unbequemen Fragen stellen wie: „Lädst du mich dann auch zu deinem Geburtstag ein? Bei Angela gab es übrigens für jedes Kind eine bunte Tüte zum mitnehmen.“

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