Kaum hat man sich an Coronavirus gewöhnt, wird es umbenannt, und man muss schon wieder etwas neues lernen. Eigentlich hat jetzt nur die Krankheit, die es auslöst, einen Namen: COVID-19. Klingt nicht gerade catchy. Ist es dafür aber. Aber aus Karin ist ja auch Walentyna geworden, und ich kann damit leben. Früher oder später gewöhnt man sich wahrscheinlich auch daran.
Mir geht ihre Hose nicht aus dem Kopf. Diese gewöhnliche, blaue Jeans. Nicht eng anliegend, oder irgendwas, ganz normal. Walentyna sah gut darin aus, aber das war es nicht. Sie sah vermutlich in allem gut aus, und wenn sie gestern einen Rock getragen hätte, wäre ich eben davon genauso fasziniert gewesen. Weil es gar nicht an dem Kleidungsstück selber lag, sondern an dem was darunter verborgen war, was es bedeutete. Das muss es doch sein, oder? Als hätte sie mich rufen, mit stummen Morsezeichen, lang und kurz pulsierend. Es war nicht das erste Mal, dass ich jemanden sexy angezogen fand, aber so etwas wie gestern habe ich noch nie erlebt.
Diese Hose hat meinen Blick magisch angezogen, und es war mir nicht im geringsten peinlich, dass sie mich erregte. Das erschreckte mich ein bisschen vor mir selber, denn so kannte ich mich nicht. Ich empfand Lust an etwas, das für sich genommen bereits befriedigend war. Es war ihre Gegenwart, ich war in einer Zone, in der ich mich nicht weder wehren wollte noch dazu in der Lage gewesen wäre. Hätte sie mit mir schlafen wollen, ich hätte unmöglich nein sagen können. Das war derart überwältigend, dass ich mich besser fühlte, als bei anderen während oder nach dem Sex. Was auch immer von dieser Hose ausging, ich badete darin und war für den Abend der glücklichste Mensch auf Erden.
Mutter brachte mir überraschend frisches Brot vorbei. Das hatte ich ganz vergessen. Gestern auf dem Weg zum Date-das-keins-war schrieb ich ihr eine SMS mit der Bitte mir heute welches zu bringen, weil ich keins mehr auf Reserve im Tiefkühlfach hatte.
„Hm, wie das riecht“, schwärmte ich.
„Du strahlst ja richtig“, sagte sie. „Hattest du Sex?“
„Nicht im Treppenhaus – was ich meine: komm bitte erstmal rein.“
Ich trat zur Seite und ließ sie mit ihrem breiten Grinsen, das nie und nimmer hätte durch den Türrahmen passen dürfen, in die Wohnung.
„Hast du denn auch verhütet, Junge?“
„Kaffee? Tee?“, fragte ich, ging in die Küche und holte Butter aus dem Kühlschrank. „Likörchen?“
„Gibt’s denn was zum drauf anstoßen?“
Ich ließ den Kopf hängen. „Mama! Du hast mir erzählt, warum ich immer Kondome dabei haben muss, noch bevor ich wirklich begriffen habe, was wo bei Jungs und Mädels oben und unten ist. Du hast mir welche zugesteckt, und weißt du noch was in der Schule los war, als die dem Sportlehrer vor die Füße fielen?“