Nacht vom 02. auf 03. September 2019

Wieder diesen Albtraum gehabt, erster Schultag nach den Sommerferien, ich bin barfuß und kann mein Klassenzimmer nicht finden. Ein Zimmer 107, im C-Bau, was gar nicht geht, denn die Nummerierung war anders? Egal. Es ist eh mehr ein Hotelzimmer als ein Klassenzimmer, wie das eben in Träumen gerne verwischt und nahtlos ineinander über geht. Nur war mir selbst im Traum klar, dass ich weder im einen, noch im anderen Zuhause war. Ich glaube ich hatte einen Schlüssel in der Hand, dabei sind die Klassenzimmer doch immer offen. Niemand ist auf den Gängen, den ich nach dem Weg fragen könnte. Selbst aus der Raucherecke kommt keiner mehr angeschlurft, obwohl die Schulglocke am Plärren ist, als gelte es sich vor einer fallenden Atombombe in den Klassenzimmern in Sicherheit zu bringen: KaRRRrÄÄÄnG!

In den leeren Gängen hallt immer noch die Glocke nach, in meinem Körper das Herz. Als hätte sich der genoppte Fussboden in den Fluren in Lava verwandelt und nur die Lehrer verschont. Und Elvis natürlich. Voll unfair. Wobei mir die Vorstellung lieber ist, als dort ganz allein zu sein.

Verdammte Scheiße, warum träumt man nach all den Jahren immer noch davon in der Schule zu spät zu kommen? Zur Schulstunde, und meistens noch zu einem Test, auf den man nicht vorbereitet ist. Weil eh klar, natürlich schreibt man am ersten Tag nach den großen Ferien im Traum einen Test. Wahrscheinlich jeder von uns einen anderen, immer das, was man am wenigsten mochte: Mathe, Aufsatz, Felgaufschwung.

Aber warum gerade jetzt? Ich bin 48 Jahre alt und inzwischen länger aus der Schule raus, als ich je drin war. Ich bin mehrfach umgezogen, habe dort nie meine Adresse im Sekretariat hinterlassen, und trotzdem findet sie mich immer wieder. Als verfügte die Penne über einen Geheimdienst. Oder heuert sie Privatdetektive an? Gibt es ein Netz aus Informanten? Woher zur Hölle weiß sie immer, wo sie mich findet?

Nicht mal damals, als ich noch zur Schule ging, hatte ich solche Träume, nie, nicht ein einziges Mal. Wenn ich gewusst hätte, dass ich Jahre später schweißgebadet in der Nacht aufwachen würde, weil ich das richtige Klassenzimmer nicht finden kann, dann wäre ich… dann hätte ich… keine Ahnung, wahrscheinlich darüber gestaunt überhaupt so alt zu werden.

Es ist kurz vor drei Uhr morgens, an Schlaf ist eh nicht mehr zu denken, und nächste Woche habe ich wieder Nachtschicht, yippie yeah. Immer noch zweieinhalb Monate. Vielleicht habe ich die dumme Sommererkältung halt doch noch nicht ganz auskuriert, was weiß ich. Meine Wohnung und mein Kopf sind so leer, wie die Gänge in der Schule eben, nur mit dem Unterschied, dass ich mich jetzt eigentlich wieder beruhigt habe.

Ich krame das erstbeste „Blues vom Doc“ Tape (Nr. 73) aus seiner Hülle und fummle es in den Kassettenrekorder. Das wickelt mich leise wieder auf. Hoffe ich. Ich wünschte, er würde sich einmal die Mühe machen und Titel draufschreiben. Ein endloses Blues-Solo erklingt, und ich fühle mich verstanden, nicht mehr allein.

Mit einem Glas Wasser in der Hand gehe ich auf den Balkon, um dort eine vertrocknete Zigarette zu rauchen. Dabei gucke ich in den Nachthimmel und natürlich ist die Straßenbeleuchtung auch zu dieser Stunde immer noch zu hell, um dort ihr Gesicht zu sehen. Also suche ich nur nach einem Fabelwesen in den verbliebenen Sternen, wie andere bei Tag in den Wolken. Ein „Malen nach Zahlen“, bei dem jemand die Nummern wegradiert hat. Damit habe ich sie einmal zum Lachen gebracht. Wann war das nochmal?

Der Mond spiegelt sich störend in den geschlossenen Balkontüren der gegenüberliegenden Häuserfront und versaut mir endgültig die Stimmung. Also gehe ich wieder rein und schreibe seit einer verdammten halben Stunde das alles hier auf, als hätte ich nichts besseres zu tun. Wie schlafen zum Beispiel. Als könnte ich so herausfinden, was zum Kuckuck das alles soll. Weiß ich natürlich immer noch nicht. Dafür bin ich jetzt aber wach. So richtig.

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