09. Oktober 2019 – Nachtschicht

Warum kaufe ich eigentlich immer zu viele Bananen? Die werden schon wieder schwarz, und mehr als eine esse ich eh nie auf einmal. Auf der Haltbarkeitsskala von Avocado bis Honig sind sie zwar eher weiter vorne angesiedelt, aber wenn ich nur eine kaufe, ist es auch wieder nicht richtig. Auf die Arbeit nehme ich sie auch nie mit, allerdings nur deshalb, weil ich sie nicht in meinem Rucksack haben will. Wie jeder, der mal eine drin vergessen hat, gerade zwischen zwei Nachschichten, oder als überraschend ungeeignetes Lesezeichen zwischen viel zu vielen Buchseiten.

Vergessen hätte ich fast mein einziges Gespräch mit Vater Rothe. Anton. Wobei mehr verdrängt als vergessen richtig wäre. Ein eindrucksvoller Mann, so viel stand fest. Gebaut wie ein junger Sean Connery, mit nahezu ebenso markanten Gesichtszügen, allerdings nach oben hin eher mit der Frisur des alten Sean Connery abgerundet. Ein Händedruck, der einen innerlich aufzurichten vermochte wie ein Chiropraktiker von außen. Eine durch und durch Haltung vermittelnde Erscheinung. Kein Wunder, dass Nadine von klein auf zu ihm wie einem Filmstar aufsah. Genauso nah, und genauso fern, auch wenn er angeblich im gleichen Haus schlief.

Ob Nadine manchmal glaubte, ihre Mutter hätte sich ihn nur ausgedacht? Oder engagierte einen Schauspieler, so oft sie ihn sich leisten konnte? Nein, er war zweifelsfrei ihr Vater. Ihre Nase kam nach seiner, der gleiche Schwung der Nasenflügel, der sanft abfallende Knick im oberen Drittel, der bei ihr noch weicher ausfiel, die kleine Erhebung am Ende wie bei einer Absprungschanze – es war nicht zu übersehen. Beiden stand sie ausgezeichnet.
Ich hätte ihn mit anderen, weniger bewundernden Augen gesehen, wenn ich damals schon gewusst hätte, was sich zuvor im Zelt abgespielt hatte. Denn Nadine hatte ihre Eltern zum Bleiben zu überreden versucht. Ohne Erfolg, aber eben nicht einmal ein paar Tage waren drin gewesen. Man hätte bestimmt was organisieren können. An Aufgaben herrschte bei uns gerade kein Mangel, und wir hätten garantiert was gefunden, da bin ich mir sicher, noch dazu für einen Arzt. Hallo?

Aber nein, es sollte schon am nächsten Morgen weiter gehen, zuerst nach Gießen, was wir damals allerdings noch nicht wussten, und von dort aus wer weiß wohin. Mit dem Zug, denn das Auto hatte er schon einem Österreicher verkauft. Denn Anton Rothe wollte nicht eine Minute länger warten, sondern rüber über die Grenze, und als das Auto weg war, wurde es ihm leichter ums Herz. Ich stelle mir vor, wie er dann aus dem Zugfenster sah, vielleicht war ein Fenster offen, und die kühle Septemberluft wehte ihm um die Nase. Ohne Auto war er jetzt sogar noch eine Idee freier, als mit. Der Zug fuhr schneller, und so war er in Passau angekommen, wo man ihm schnell mitteilen konnte, dass seine Familie in Vilshofen sei, nur ein Stück weiter die Donau aufwärts. Wahrscheinlich wäre er sogar geschwommen, wenn ihm nicht ein BGS-Beamter vorgeschlagen hätte ihn mit zu nehmen, weil er sowieso dorthin fuhr.

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