„Was macht ihr jungen Leute denn den ganzen Tag?“
„Arbeiten, einkaufen, Haushalt …“
„Nicht das, sondern woran ihr dabei denkt, wovon ihr träumt!“ „Eine bessere Welt?“
„Ah, du hast Kinder …“
Ich sah zu Boden, und es traf mich wieder wie ein Blitz. Als wüsste ich es inzwischen nicht schon ein paar Tage. Aber der Gedanke war so neu, so unerhört, so … falsch? Es wollte mir nicht in den Kopf.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Lebt ihr getrennt?“
Ich nickte einfach, weil es mir ersparte nach Worten zu suchen.
„ Was ist nur los mit euch, dass ihr nicht zusammenbleiben könnt. Wenn nicht für die Kinder, für wen dann?“
„Heh“, protestierte ich. „Meine Mutter hat mich allein groß gezogen.“
„Deswegen muss man die Mutter seiner Kinder noch lange nicht mit ihnen allein lassen.“
„Das tue ich ja nicht.“
Jetzt sah sie in die Ferne. „Nach dem Krieg gab es auch viele alleinerziehende Mütter … Alles wiederholt sich.“
„Ihr Mann … kam nicht zurück?“, fragte ich so behutsam wie möglich.
Sie nickte. „Hab ihn für tot erklären lassen, um wenigstens Witwenrente zu bekommen.“
Marla. Wie in Fight Club. „Kinder?“
„Gott bewahre, nein!“
„Oh, das klang aber eben anders.“
„Ich bin insgeheim so froh, dass ich nicht gleich schwanger war von ihm. Das Kind eines Mörders hätte ich nicht zur Welt bringen wollen. Geschweige denn großziehen und von den Taten des Vaters erzählen müssen.“
„Das haben die anderen doch auch nicht gemacht.“
Sie seufzte. „Weil sie Feiglinge geblieben sind, die sich wieder in ihre Opferrolle vor dem Krieg zurückgezogen haben. Die Zeit der Verbrechen war dann nur ein Ausrutscher.“
„Nehmen Sie es mir nicht übel Frau Jaschke, aber ich hätte Sie gerne als Großmutter gehabt.“
„Marla. Einfach nur Marla“, sagte sie und lächelte auf eine Art und Weise, die mich beinahe bereuen ließ, was ich gerade gesagt hatte.