„Das mit den Botengängen an der Front zum Kriegsende hin ist nämlich gar nicht so anders zu dem, was er vorher gemacht hat. Wenn auch unter anderem Vorzeichen.“
„Wie, vorher?“
„Na da hat er auch Botschaften transportiert und dabei sein Leben riskiert. Ich entnehme deinem Gesichtsausdruck, dass du nichts davon weißt, dass er für seine Mentoren in Babelsberg Nachrichten geschmuggelt hat? Oder dass er auf einer Adolf-Hitler-Eliteschule war? Eigentlich schade, dass die Geschichte nie verfilmt wurde, wie sie den Schüler, der für einen Propagandafilm vor der Kamera stand, hinter der Kamera mit verbotenen Filmen umgedreht haben.“
„Wer ist sie?“
„Hans Söhnker und Albert Florath.“
„Und die Eltern von Hardy?“
„Du meinst von Eberhard August Franz Ewald?“
„Welcher davon ist denn sein richtiger Vorname?“
„Na alle“, sagte Heßler und schmunzelte. „Jedenfalls waren seine Eltern begeisterte Nazis. Doch, doch, brauchst gar nicht so erstaunt gucken. Von solchen Brüchen in der eigenen Biografie erzählen unsere Filme nicht so gerne.“
„Allerdings. Es war ja keiner wirklich Nazi, sondern alle insgeheim im Widerstand.“
„Andererseits überspringt Krüger diese letzten Wochen selber gerne, weil es ihn selbst heute jedes Mal so mitnimmt, als er sich alleine durchschlagen musste. Er wusste damals ja nicht, wie lange der Krieg noch dauert, wie lange er durchhalten muss, gegen Wetter, Hunger und Nazis. Er war zum Tode verurteilt, in Kauf genommenes Ableben, für Volk und Vaterland, dabei noch ein halbes Kind, ohne zu wissen ob überhaupt jemand aus seiner Familie überlebt hat. Das kommt ihm alles wieder hoch, wenn er nur drauf angesprochen wird. Darüber sollte es einen Film geben.“
„Wenn es ihm zu nahe geht, dann kann man das doch auch akzeptieren.“
„Das schon, aber es ist auch bequemer es ausblenden zu können.
Die Knef hat das in ihrem Buch alles schonungslos nacherzählt. Beklemmend, eindringlich, hautnah. Allein wie oft sie dem Tod von der Schippe gesprungen ist, bei den Bombardierungen von Berlin, die Kämpfe in der Stadt, der Versuch sich zu den Amerikanern durchzuschlagen, der Hunger, die Scheißerei, die Gefangenschaft. Und dann dieser Satz, den ich nicht vergesse, dass es die Sieger seien, die noch in Mann und Frau kategorisieren, und die Gefangenen stattdessen in einander Menschen sehen. Da steckt beinahe etwas sehnsüchtiges drin, allem Horror zum Trotz, weil man da wenigstens wusste, woran man war. Und an wem.“
„Davon höre ich zum ersten Mal.“