12.01.20

„Das haben sie in der Verfilmung auch weggelassen, und bei Hardy hätten sie es genauso übersprungen. Weil das hier keiner hören will, wenn es kompliziert wird. Lieber ist man stolz auf den internationalen Ruhm unserer Stars. Von alleine wären wir ja nie auf die Idee gekommen die zu feiern.“
„Haben der Krüger und die Knef eigentlich mal zusammen vor der Kamera gestanden?“, fragte ich Heßler.
„Keine Ahnung. Möglich wär’s, so viel wie die gedreht haben. Da war dieser … weiß nicht, Journalist? Soziologe? Halt einer, der die deutschen Kriegsgefangenen befragt hat, um dahinter zu kommen, warum sie zu Nazis geworden sind. Das Ergebnis war was mit fehlenden, abwesenden Vätern, und dass dieses Defizit externalisiert wurde, auf die Eroberungszüge.“
„Also mein Vater war auch nicht da, und ich hatte trotzdem nie das Bedürfnis gehabt in Polen einzumaschieren.“
„Das klingt für unsere Ohren nur so verkehrt, weil wir weder durch Hitlerjugend noch Propaganda zum Dienst an der Waffe herangeführt wurden. Aber du hast schon recht, ich glaube auch dass diese Theorie etwas dünn ist. Abwesende Väter machen noch niemanden zum Nazi. Nicht wenn man eine Mutter wie meine hat jedenfalls.“
„Oder meine“, sagte ich voller Stolz. „Sie hat das mit meinen Nachforschungen übrigens sehr locker weggesteckt.“
„Dann drücke ich euch die Daumen, dass es auch so bleibt“, sagte Heßler mit einem Lächeln, bei dem mir anders wurde. „Und erlaubt euch zu trauern. Also Trauer, nicht Selbstmitleid.“
„Einverstanden“, sagte ich, hieb mir auf die Oberschenkel und stand auf. Heßler blieb noch einen Moment sitzen, ehe er sich auch aufrichtete. „Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, fällt mir übrigens noch etwas auf“, sagte er. „Beide, also der Krüger und die Knef hatten wichtigere Bezugspersonen, als ihre Eltern.“
„Die Knef auch?“
„Ja, sie wurde laut eigener Aussage mehr von ihrem Großvater aufgezogen. Die haben sich verstanden, ohne groß Worte drum machen zu müssen.“
„Vielleicht sollte ich mir das nächste Mal im Altenheim einfach jemanden aussuchen“, sagte ich laut grübelnd.

© Jens Prausnitz 2023

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