„Dann muas amoi’d Politik und Justiz ran. Des is koa Aufgab fiad Zivilgesellschaft, wenn die sie aloa glassn fuid. Der Bäckermeister ko scho a auf der Straß mit am Nudelholz umgehn, so is ned, aber er hod ned Nahkampf geübt und sich auf an Tag X vorbereitet, wie diese Ex- Soldaten, die schon Munition, Leichensäck und Löschkalk gehortet haben, diese Nordkreuz Heinis. Wenn des ned a Aufgab fiad Polizei is, ja was denn dann? Bei de Linkn und Hooligans kennans doch a!“
„Stimmt. Wenn Todeslisten angelegt werden, ist es höchste Eisenbahn mal andere Saiten aufzuziehen“, sagte ich. „Wenn diese ganzen Prepper jetzt wenigstens im großen Stil Masken und Desinfektionsmittel bereitstellen würden, dann könnte ich ihnen glatt verzeihen.“
„Schee wär’s.“ Lukas lachte. „Mei, woast du an wen i die ganze Zeit denken muaß, seit von Tröpfcheninfektionen die Rede ist? An den Hemmsacher.“
„Oh mein Gott!“, rief ich. „Den hab ich komplett vergessen!“
„Oder verdrängt wie i. Stell dir vor, wir hätten eam a no in Latein ghabt. I versuch mi grad zu erinnern, mit welchen Strategien wir uns gschützt ham. Des kunt ma jetztad bestimmt brauchen.“
„Freiwillig für’s Tafelwischen melden“, sagte ich. „Da stand man wenigstens hinter ihm, wenn er redete.“
„Des is jetzad ned grad alltagstauglich“, meinte Lukas enttäuscht. „Apropos, jetzt steht grad wer hinter mir. I muaß dann amoi weida machn. Woa schee mit dir zum Ratschn.“
„Ganz meinerseits“, sagte ich und meinte es auch so. Ich war so erleichtert, dass Lukas wieder mit mir spricht, dass ich vor Freude hätte heulen können. Die erste gute Nachricht seit … einem Monat? Stattdessen kam es mir so vor, als sei ich in der Zwischenzeit in meiner Rakete um Jahre gealtert.
Damals hat ihn und die versprengten Demonstranten ein Chinarestaurant gerettet, heute werden sie boykottiert, als würde man sich dort mit Corona anstecken. Lukas hätte sich damals die Haare abschneiden lassen können, und vermutlich wäre ihm nichts passiert, wenn er den Kopf unten gehalten, und im richtigen Moment in eine andere Richtung gesehen hätte. Aber was hätte der Kellner bitte tun sollen? Anstelle von miteinander verschränkten Atom-Chinesen, die ohne Umschweife zu Virusträgern geworden sind, haben wir es mit beschränkten Rassisten zu tun, deren Gedanken am Horizont ihrer flachen Erde ins Nichts stürzen.
Hemmsacher gehörte zum Inventar des B-Baus, und ich weiß nicht, ob ich ihn je außerhalb dieser Mauern gesehen habe, als wären Zaubersprüche in den Schwellen zum A- und C-Bau eingelassen, die er nicht überqueren konnte. Wie ein Geist tauchte er in den Gängen auf, kam die Treppen aus dem Keller hoch oder aus dem ersten Stock hinunter, er materialisierte sich wie das Skelett im Biologieunterricht, und man ging ihm aus dem Weg.