Nadja sah sich um und wir kriegten uns langsam wieder ein. „Ich glaube nicht, dass wir hier wirklich reiche Leute sehen. Wohlhabend, ja. Aber reich?“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Daniel. „Kennst du reiche Leute? Einen?“
„Nein.“
„Wo stecken die denn alle? Wenn sie schon nicht hier sind?“
Sie zuckte mit ihren sommerbesprossten, nackten Schultern. „Sind für uns unsichtbar. Unter sich, irgendwo weit weg. Aber halt doch da. Wie Maulwürfe.“
„Dreckshaufa hinterlassn’s a“, warf Lukas ein.
„In der Straßenbahn wirst du denen nicht begegnen“, sagte Nadja noch und schwieg.
„Die trifft man nicht mal bei uns in der Klinik“, sagte ich. „Wenn derem Nachwuchs was fehlt, dann lassen die die Ärzte zu sich kommen.“
„Wartet“, rief Daniel. „Doch. Natürlich kennen wir welche, sogar Millionäre! Und du auch. Sogar die Guten, die sich hochgearbeitet haben.“
„Des wüsst i aba.“
„Du kommst nicht drauf, dabei hast du sie vor der Nase, genauer auf den Ohren, trägst sie seit Jahren auf T-Shirts spazieren …“
„Lacoste?“, fragte ich scherzhaft, weil ich nicht gleich drauf kam. „Red doch keinen Scheiß, Metallica mein ich.“
Scheiße, Daniel hatte ja recht!
„Und da Ding!“, Lukas’ Augen weiteten sich. „Der Paul McCartney.“
„Sir Paul McCartney“, verbesserte Daniel.
„Da Sir Paul McCartney – der foat sogar mit der Bahn. I hob a Foto vo eam gseng wie er normal in der Bahn sitzt.“
„So geht Millionär“, stellte ich anerkennend fest.
Nadja schüttelte den Kopf. „Ihr Wessis habt echt keine Ahnung, oder?“
„Aber du jetzt, oder wie?“ Daniel war ein wenig eingeschnappt.
„Seit wann bist du denn Expertin für Metallica?“
„Das sind doch nur Musiker die zu Reichtum gekommen sind. Deswegen sind die euch nicht mal gleich eingefallen. Die fühlen sich heute noch wohl, wenn sie auf Bühnen schwitzen. Die, die ich meine würden sich nie dazu herablassen.“
„Zur Bühne obbe lassn? Fliegn wia der Jon Bon Jovi im ‚Livin’ on a prayer’ Video?“
„Was?“ Nadja verstand nicht und Daniel machte das „Humpa humpa humpa“ aus dem Song-Intro nach. Mein Blick fand den ihren, und ich glaubte zu verstehen worauf sie hinaus wollte, und nickte ihr zu. Wir konnten uns nur über den Reichtum lustig machen, den man uns sehen ließ. Da begann der, von dem Nadja sprach noch nicht einmal, der eher einer Maschine glich, die immer im Hintergrund lief, und die uns alle in ihrem unsichtbaren Würgegriff hatte. Die Reichen ebenso, nur war es denen egal, so lange es ihnen gut ging und nicht ihre Hälse zudrückte.