„Sag mal, habt ihr Desinfektionsmittel zu Hause? Also für die Hände?“
„Was, wieso?“, fragte Clara leicht irritiert. „Ach so, wegen diesem Chinavirus?“
„Bitte nenn es nicht so, aber ja. Deswegen.“
„Müssen wir uns deswegen Sorgen machen?“
„Ich glaube nicht, aber es wäre trotzdem gut, wenn ihr das im Haus hättet.“ Außerdem war es ein Weg die Familie in Berlin wieder zueinander zu bringen. Manchmal bin ich echt stolz auf mich. „Pass auf dich auf, ja? Und auf Mario auch.“
„Mach ich, Smörre. Es tat gut mit dir zu reden, und mal nicht über das Abitur, und dass ich wegen Mario nicht genug lerne.“
„Ach, das schaffst du doch mit links.“
„Mama nervt deswegen trotzdem dauernd.“
Sieh einer an, dachte ich. Kam da etwa Doris in ihr durch? Das behielt ich allerdings für mich, wir verabschiedeten uns, und sie versprach bald mal wieder anzurufen. Weil ich hatte ja Mario’s Nummer nicht, und ihr Mobiltelefon war aus, beziehungsweise im Flugmodus, wie sie mich aufklärte. Und ich musste ihr versprechen nichts ihren Eltern zu sagen.
Das ließ mich sogar wieder lächeln, weil sie es glaube ich gar nicht bemerkt hatte. Du wirst eben nicht einfach mal so zum Papa, nur weil vor Jahren jemand von dir schwanger geworden ist. Die Wahrheit hatte nichts an der Rollenverteilung geändert: Nadja war ihre Mutter, Daniel ihr Vater, und ich Smörre.
Erschreckt hat mich, dass mit den fehlenden Wurzeln. Wo kam das denn her? Was sollte das? Ich glaube, Kindern fehlt immer irgendetwas. Und dann immer etwas, was sie bei anderen beobachten und selbst nicht kennen. Das muss von der Natur so gewollt sein. Also die Umgebung zu beobachten. Dass man dabei aber ein bisschen blind für das ist, was man hat – liebende Eltern zum Beispiel –, macht die Sache leider nicht besser. Kinder wollen alles mal ausprobiert haben, auch wenn hinterher das Knie, oder einem das Herz blutet.
© Jens Prausnitz 2023