29.06.20

Es ist gar kein Monster in der Schule, das mich verfolgt, sondern das Monster, das uns verfolgt, ist die Schule selbst! Wir gehen so lange zur Schule, bis wir sie in uns tragen, bis sie alles überschrieben hat, was vorher war, oder sich hätte entfalten können. Stattdessen wurden wir zusammengefaltet, wie Origami. Nur wurden aus uns keine Orchideen oder Einhörner, sondern Frösche, die alles nachquaken, was man ihnen vorgequakt hat, und man nicht einmal in Frage stellt, warum auf Deutsch Frösche und Enten angeblich das gleiche Geräusch machen. Darauf hat mich gestern Walentyna unter der Dusche gebracht … und jetzt will ich die Schule in meinem Inneren einreißen, ein für alle mal, wenn …
„Kann man das je wieder los werden?“, fragte ich.
Heßler schüttelte den Kopf. „Man kann sich dessen bewusst werden, aber ungeschehen machen kann man es nicht. Dazu müsste man schon anders aufgewachsen sein, in einer anderen Struktur. Dafür ist längerer gemeinsamer Unterricht immerhin ein Ansatz. Die Alliierten wollten ja nach dem Krieg unser Schulsystem abschaffen und Gesamtschulen einführen. Damit konnten sie sich nur leider nicht durchsetzen.“
„Wie, die konnten sich nicht durchsetzen?“, fragte ich verdutzt. „Ja wer denn dann?“
„Na die Deutschen!“, rief Heßler und lachte. „Die haben so lange gegen die Pläne protestiert, dass es die Siegermächte entnervt aufgegeben haben. So sehr haben wir die Trennung verinnerlicht. Sie hat die Nazizeit unbeschadet überdauert.“
„Aber … produziert unser Schulsystem dann nicht weiter Nazis?“
„So weit würde ich jetzt nicht gehen, aber es fördert in seiner Form leider automatisch faschistoiden Tendenzen, die schon vorher in den Menschen angelegt waren.“
„Wie, vorher?“
„Die Elternhäuser. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, hieß es zu meiner Zeit. Ist so aktuell wie eh und je. Und davor war Bildung noch der Kirche und dem Adel vorbehalten, verteidigt bis auf’s Blut. Die saßen in ihren Klostern und Schlössern, und ihre Kinder niemals neben denen von Schlossern. Das tun sie auch heute nicht.“
„Weil deren Sprößlinge gleich auf Privatschulen und Internate kommen.“
„Ja. Für die einen gibt es die volle Vitamin B Kur, dem Rest bleibt Kneip und Kneipe. Ohne Beziehungen bist du nichts. Das kannst du mit Bildung allein nicht kompensieren. Man lernt mit einem gänzlich anderen Bewusstsein, wenn man von vornherein weiß, dass die schulische Leistung selbst gar nicht die entscheidende Rolle spielt, sondern wie man für unsereins unsichtbar wird. Trotzdem kann man auch daran zerbrechen. Das sind dann die Exzentriker, die man später im Gartenhaus unterbringt, anstatt Unternehmen leiten zu lassen.“
„Mein Mitleid hält sich in Grenzen.“

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