„Doch, ist so. Und die dürfen Tests wiederholen, wenn sie meinen sich verbessern zu können“, plapperte ich weiter. „Das macht doch ganz andere Menschen, als unser System, das uns nach vier Jahren für immer in Gruppen teilt.“
„Auch wenn ich mich wiederhole: ‚The medium is the message.‘“ Als ich nicht reagierte, legte er nach. „Es spielt keine so große Rolle was im Schulgebäude passiert, wie die Lehrpläne gestaltet sind, oder was man für Lehrer hat. Die Art und Weise wie unterrichtet wird ist überall gleich, und auch die Architektur ist austauschbar.“
Ich sah ihn fragend an und schmollte ein bisschen. Da hatte ich mal etwas in der Hand, und er zerlegte mich ohne überhaupt darauf eingehen zu müssen.
Dr. Heßler seufzte. „An was erinnern Schulen? Welche Gebäude haben ähnliche Eigenschaften? Du kannst hinein, dann aber länger nicht mehr hinaus. Ein Zimmer gleicht dem anderen, unterscheidet sich nur durch Nummern, die dir zugewiesen werden und mit denen du dich zu identifizieren hast …“
„Bis hier hin könnte es auch ein Hotel sein. Oder ein Krankenhaus. Eine Behörde.“ Eigentlich dachte ich zuerst an etwas anderes, aber ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben. Dann ließ ich aber doch durchblicken, dass ich ihn sehr wohl verstanden hatte. „Immerhin haben die Fenster in der Schule keine Gitter.“
„Nur weil es die dort nicht mehr braucht“, sagte er zufrieden. „Wenn man sein Gefängnis gar nicht mehr für ein Gefängnis hält, dann kann man die Gitter auch weg lassen. Ist aber trotzdem eins.“
„Kinder kleben doch keine Tüten!“
„Dafür machen sie Aschenbecher aus Ton, Obstschalen, Eierbecher. Oder alle müssen das gleiche Motiv malen, damit die Arbeiten vergleichbar sind. Aber lass uns beim Gebäude bleiben.“
„Absitzen“, sagte ich. „Das habe ich selber vor ein paar Tagen aufgeschrieben, das man in der Schule nur sitzt.“
Er nickte. „Eben. Frontalunterricht. Und was noch?“ Heßler gab sich jetzt die Antwort aber gleich selbst. „In der Schule ist man von der Außenwelt abgeschnitten. Die Schule ist eine eigene Welt, eine ganz und gar künstliche Welt, wie man sie außerhalb nirgends findet. Sie ist konstruiert. Und was fast noch schlimmer ist: hat man sie durchlaufen und sich daran gewöhnt, dann beginnt man danach zu suchen und wird fündig. So wie wir in der Klinik. Die Verhaltensweisen, die man dort gelernt hat, nimmt man überallhin mit. Die Schule ist irgendwann …“
„In einem selbst“, sprach ich seinen Satz zu Ende und schluckte. „In der wacht man dann in seinen Albträumen auf.“
Und ich dachte, ich sei so viel besser als jemand der Lehrer wird und an die Schule zurückkehrt. In der Klinik sagen auch wir wo es lang geht, und die Patienten haben unseren Anweisungen zu folgen.