29.06.20

Wir haben so viel telefoniert und einander erzählt, dass ich jetzt auch mit ihr zusammenziehen könnte. Alles war ganz fantastisch, wie sie riecht, was sie sagt, die Blicke, ihre Wohnung, der ganze Tag und unsere Gespräche; alles eben – mit Ausnahme des Sonnenbrandes an den nicht eingecremten Stellen, aber das wird verblassen. Also die Erinnerung daran. Obwohl ich deswegen in der Arbeit merkwürdig kurze Schritte machen musste, wie so eine Japanerin im Kimono, damit die Hosenbeine nirgendwo scheuern. Und wenn sich mein Arsch noch pellen sollte, kann ich beim Kacken eben doppelte Durchschläge machen.

Es klingelt wieder und ich bin Sekunden später am Hörer, will schon „Hallo Ameisenfrau“ sagen und „Tach Glühwürmchen“ hören, aber es war nur Heßler, der sich mit mir zu einem Spaziergang verabreden wollte, aber zum Glück von mir zu einer Sitzung auf der Parkbank überreden ließ.
Bis dahin denke ich weiter an Walentyna. Ich glaube sie nimmt mich wirklich mit nach Polen und stellt mich dort ihrer Familie vor. Ein bisschen habe ich Angst davor, dass ihre Oma schon meinem Opa begegnet sein könnte, aber das wäre dann vielleicht doch ein Zufall zu viel.
In ihrer Wohnung hat sie mir noch polnische Musik vorgespielt. Zwei Sängerinnen, Schwestern sogar, die inzwischen wohl beide Solo unterwegs sind, eine davon deutlich erfolgreicher. Dann was von zwei anderen Schwestern, da ging es wohl ums Schwimmen, und man wüsste nicht, wer das Ufer erreicht und wer ertrinkt. Eine Metapher auf das Leben, nehme ich an. Aber vor Augen habe ich nur Walentyna, wie sie zu einer anderen Sängerin synchron die Lippen bewegt hat. Himmel, etwas so verführerisches habe ich noch nie erlebt. Auch wenn ich kein Wort verstanden habe, diese Sprache ist perfekt für ASMR, die ganzen Zisch- und Es-Laute, es kribbelte mich allein beim Gedanken daran überall.

Wie auf Wolken war ich zum Treffen geschwebt, eben habe ich noch meine Wohnungstür abgeschlossen, dann saß ich schon neben Heßler auf der Bank im Park.
„Ich weiß ja, dass wir nicht vorhaben zu laufen, aber … ist das ein Grund in Hausschuhen zu kommen?“
Ich sah auf meine Füße, die in Slippern steckten und dann wieder zu ihm. „Ups.“
„The medium is the message“, zitierte er irgendwen und seufzte. „Dir scheint es ja gut zu gehen.“
„Hm. Ja. Merkt man das?“
„Möchtest du darüber reden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Wusstest du, dass in Polen die Grundschule acht Jahre dauert?“
Er zog die Augenbrauen nach oben.

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