27.05.20

„So schlimm ist es nicht, dein Opa …“
„War stets bemüht – ich weiß. Aber was soll das heißen: von starken Frauen überfordert?“
„Na du weißt schon Nadja, Anne, oder jetzt diese Polin.“
„Du hast mir doch selber gesagt, ich soll mir eine suchen, die schlauer ist als ich!“
„Und ich freue mich, dass du das geschafft hast, mein Junge.“ Sie sah mir in die Augen. „Mir geht es gerade um etwas anderes, um meinen Vater. Du wolltest doch Anfang des Jahres mehr wissen, und ich habe jetzt weiß Gott genug Zeit zum nachdenken gehabt. Willst du das nun hören, oder nicht?“
„Doch, natürlich. Tut mir leid“, sagte ich, schmollte aber innerlich noch ein bisschen.
„Er hat nie vom Krieg gesprochen. Genau wie seine Kameraden.
Nur als etwas, das ganz schrecklich war. Vor allem schrecklich weit weg, an das man sich gar nicht erinnern könne. Über das ‚nicht darüber sprechen können’ haben sie geredet, aber nie über das was. Dafür fehlten ihnen die Worte.“ Mutter sah in die Wolken, und dann mir in die Augen. „Das habe ich ihm aber nicht geglaubt. Und dir auch nicht.“ Ich wollte etwas erwidern, aber sie winkte ab. „Lass, ich weiß, dass du mir etwas verheimlichst, und ich weiß, dass du mir nicht alles erzählen musst.“
Wir setzten uns auf eine Bank und erst jetzt bemerkte ich, dass sie ein wenig aus der Puste war. „Aber weißt du, was ich glaube? Ich glaube meiner Mutter hat er es erzählt. Es könnte sein, dass sie ihn deswegen … also uns. Dass sie deswegen …“ Ich reichte ihr ein Taschentuch. „Danke. Danach hat er den gleichen Fehler wohl nicht mit mir wiederholen wollen und zog es vor zu schweigen.“
„Ist das alles?“
„Das, und dass du versuchst es auf Umwegen wieder gut zu machen“, sagte Mutter. „Als könne man ein Unrecht wieder rückgängig machen, wenn man es nur genug versucht.“
„Hat es denn geklappt?“
„Natürlich nicht. Mein Vater hat den Gedanken nie losgelassen, und so ist er zu seinem Gefängnis geworden. Verstehst du das?“
Ich dachte an die Geheimnisse, die ich vor ihr hatte, die Enkelkinder, von denen sie nichts wusste, meine Pläne die Familie zusammenzuführen, und an Walentyna, der ich das alles schon erzählt hatte. Also bis auf die Pläne. Ich lehnte mich zurück, nahm Mutter in den Arm und sagte: „Bald, Mutter. Bald.“
Sie lehnte sich an mich und schwieg.

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