26.07.20

„Nein, dass das Medium die eigentliche Nachricht ist. Wie haben wir denn diese Altstädte gebaut, in der Antike, im Mittelalter? Dir ist schon bewusst, dass die heute noch stehen? Also im Gegensatz zu vielen neuen Glas- und Betonwolkenkratzern, die man in weniger als 100 Jahren wieder abreißen und neu bauen muss?“
Ich schluckte.
„Wir lieben die Nachhaltigkeit, entspannen dort im Urlaub, ohne dazwischen einen Zusammenhang her zu stellen. Es fällt niemandem ein, dass wir uns auch genau davon angezogen fühlen.“
„Aber da wird doch auch restauriert und alles.“
„Hast du das schon mal mit Stahlbeton versucht? In den Altstädten steckt mehr altes Wissen, als uns Pauschalurlaubern je bewusst wird. Unsere wurden eingeebnet – also manche auch von uns selbst, ohne dass es dazu Bombenteppiche gebraucht hätte. Unsere Message wurde dann eine andere: die Autobahn“, führte Heßler aus.
„Und alle drängeln sich auf der Überholspur.“
„Es wird noch besser. Oder einfacher. In welcher Gesellschaft willst du leben? Von wem soll sie geführt werden?“
„Da kriegst du doch Antworten von Demokratie, Diktatur und Monarchie das ganze Spektrum.“
„Ach ja? Auch dann, wenn du hypothetisch vorher nicht weißt, wo bzw. von wem du geboren wirst? Bist du der Sohn eines Millionärs, die Tochter eines Monarchen, oder das Kind von Wanderarbeitern? Und was ist wohl wahrscheinlicher?“
„Das glaubt doch keiner, dass das so ist.“
„Ich schon. Genau so sehe ich die Welt, genau so ist sie im Innersten konstruiert.“
„Jeder ist seines Glückes Schmied?“
„Das ist ein Märchen. Aber jedes Kind hat ein ungetrübtes Empfinden für Gerechtigkeit. Bis ihnen Erwachsene die Welt erklären. Beziehungsweise scheidet sich daran, wie sie mit ihrem Gerechtigkeitsempfinden umgehen werden. Das lernst du aus deiner eigenen Lebenswelt, und dem, was dir sonst noch beigebracht wird. Früher kam das aus der Kirche und dem Glauben, dann dem Glauben an Bildung. Ich meine die Institutionen, nicht einzelne Pfarrer oder Lehrer, sondern was sie als Ganzes vertreten. Einem Kind, das in einer indischen Textilfabrik 16 Stunden Schichten schiebt, kommt erst gar nicht auf den Gedanken, dass es sich nach oben arbeiten könnte. Wenn du reich geboren bist, hast du alle Zeit der Welt. Heute glaubt man an Geld, das für einen arbeitet. Was man damit eigentlich meint sind Sklaven. Als reicher Spross musst du dann schnell lernen, dass du diese Kinder auf der anderen Seite des Planeten bald 17 Stunden lang schuften lassen musst, damit sie auch ja nicht mehr die Kraft dazu aufbringen, dich zu finden und dir den Hals umzudrehen.“ „Propagierst du etwa Sozialismus als Lösung?“, fragte ich verunsichert.

Schreibe einen Kommentar

Schön, dass Sie kommentieren wollen, herzlich Willkommen! Vorher müssen Sie allerdings noch der Datenschutzerklärung zustimmen, sonst geht da nix. Danach speichert die Webseite Ihren Namen (muss gar nicht der sein, der in Ihrem Ausweis steht), Ihre E-Mail Adresse (egal ob echt oder erfunden), sowie Ihre IP-Adresse (egal ob echt oder verschleiert - ich hab keine Ahnung, ob Sie von Zuhause oder aus einem Internet-Café schreiben). Anders ist es mir nicht möglich zu gewährleisten, dass Sie hier kommentieren können, worüber ich mich sehr freue - denn es ist sehr frustrierend mit den mich sonst erreichenden, meist verwirrenden bis sinnfreien Werbebotschaften allein gelassen zu werden. Vielen Dank dafür, dass Sie da sind!

Noch ein kleiner Hinweis: Kommentieren Sie zum ersten Mal, erscheint Ihr Kommentar erst nach einer Prüfung des Inhalts, einzig um Spam von der Seite fern zu halten, in der Regel dauert das nicht länger als 24 Stunden - dabei handelt es sich nicht um Zensur, sondern um das limitierte Zeitfenster der berufstätigen Person hinter diesem Blog, die Ihnen den ganzen Krempel gratis zur Verfügung stellt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und auf zur Checkbox.