„Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Vor fünf Tagen war ich noch auf der Arbeit, und die Inkubationszeit …“
„Ja, ja, ja“, machte sie. „Lass uns aufbrechen. Hier entlang.“ Schon lief sie los und ich stolperte hinterher. Hatte sie eben was von Händchenhalten gesagt? Das war doch bestimmt ironisch gemeint, oder nicht? Und wenn nicht, was dann?
Diesmal gingen wir nicht bis zum Ende der Straße, sondern bogen vorher ab.
„Was denn? Beim letzten Mal schienst du nicht sehr glücklich über die Autobahn zu sein. Sind Pferde okay?“
„Äh, ja? Wenn es keine Wildpferde sind?“
„Die sind eingezäunt, und wir nehmen den Eselweg zum Friedhof. Einverstanden?“
„Klingt romantisch. Klar doch.“ Ich grinste und folgte ihr bereitwillig. „Mit dir könnte ich überallhin gehen.“
„Überallhin?“
Ich nickte. „Mit dir würde ich durch die Hölle gehen!“ Ich stockte. „Moment, das klingt falsch.“ Auch Walentyna blieb stehen und sah mich erwartungsvoll an. „Aber halt nur, wenn es nicht nur für einen Tag ist“, schloss ich grinsend und ging weiter.
„Du scheinst eine ähnliche Ader für Komplimente zu haben, wie ich“, sagte sie zufrieden, griff nach meiner Hand, die ich gerade noch wegziehen konnte, dann rannte sie an mir vorbei, drehte sich kurz um, ging rückwärts, ich nahm die Beine in die Hand, und so liefen wir am Rande einer Siedlung entlang und dahinter diagonal über eine Wiese.
„Sag, was beschäftigt dich gerade“, sagte sie ein wenig aus der Puste, und auch ich rang erst um Atem, ehe ich etwas sagen konnte.
„Ich denke über unser Schulsystem nach, wie es Menschen benachteiligt und gesellschaftliche Gruppen voneinander trennt.“
„Wie kommt das denn?“ Walentyna schüttelte den Kopf, und dabei flog ihr offenes Haar ganz wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm über das Gras.
„Ach, das ist eine lange Geschichte. Es fing mit Albträumen von der Schule an, und inzwischen erinnere ich mich an den Übertritt ans Gymnasium und dass man spätestens dann kaum noch mit anderen gesellschaftlichen Klassen zu tun hat. Du weißt schon, Arbeiterfamilien und so. Höchstens im Freibad oder in Vereinen, aber sonst?“
„Und die Ungerechtigkeit überrascht dich?“
„Nein, das nicht. Aber ich glaube sie macht uns anfällig für Faschismus. Ausgerechnet uns.“
„Das ist doch jetzt aber nicht allein ein schulisches Problem.“
„Wenn die Kinder nach der viel zu kurzen Grundschule auf verschiedene Schultypen aufgeteilt werden, dann schon.“
„Bei uns hat die Regierung das System wieder umgestellt, von 6 Jahren zurück wie es vor 1989 war, auf 8 Jahre Grundschule.“
„Das ist doch dann gut?“, freute ich mich.