23.06.20

„Des is doch eh kloa. Aber es is em a a Klassnfrog, obsd wohlhabende Eltern host.“
„Haben wir doch alle drei nicht.“
„Warst du amoi an der Hauptschui? Dann red a ned drüber.“ Lukas klang wütend, was für ihn sehr ungewöhnlich war.
Aber er hatte recht. Es ans Gymnasium zu schaffen, war schon in den 80ern enorm wichtig gewesen, das ist eine der ersten Sachen, die man an der Grundschule lernt, noch vor Rechnen, Schreiben und Lesen: Auf der Hauptschule sitzen die Verlierer. „Du warst dort doch aus Versehen.“
„Na, ehm ned“, beharrte Lukas. „I woid ned auf’s Gymnasium, i woid in Eging bleim, aba da hat’s nur’d Grundschui. Und meine Eltern hom se ned um meinen Übertritt gekümmert, obwohl’s meine Noten hergem hättn. Mia war’s wurscht, weil des oane wias anderne ned dahoam woar.“
Ich erinnere mich nicht, aber meine Mutter – und ganz bestimmt Daniel’s Eltern waren dahinter, dass ihre Söhne weiterkommen, als sie selbst. Daniel’s Vater hat dann ja seine Eifersucht auf den schulischen Erfolg seines Sohnes zu jeder Gelegenheit an ihm ausgelassen. „Wieso hast du dann deine Meinung an der Hauptschule geändert?“
„Wegn meim Bruda, und natürlich wegam … Kawe, meim Freind.“ „Wo war der her?“
„Aus der Türkei, aba er is Kurde und sprach kaum Deitsch, also genau wie i a.“ Lukas schluckte. „Da hob i eam ghoifa, anfangs a mid Fäustn, weil’s eam gschlogn hom. Des hob i ned ertrogn“, Erzählte Lukas mit Bitterkeit in der Stimme, als wäre es erst gestern gewesen. „So ham mia uns zamgrafft. Des vergess i nie.“
„Deswegen meinst du wir alle hätten Migrationshintergrund.“
„Nur das’d Hautfarb ned ablegn kost. Du kannst lerna und di anpassn so fuid mogst, aber des bleibt, wia die de andern oschaugn. Aber der Blick söiba, der kann an jeden treffa. Des hob i damals verstandn. Des hob i an der Hauptschui glernt, ned am Gymnasium.“
„Scheiße Lukas, du solltest Politiker werden“, platze es aus mir heraus.
Aber er hustete nur. „Na du, nia im Leben!“

Seit dem Gespräch geht es mir nicht aus dem Kopf: Wir haben nur durch einen Zufall zusammengefunden. Schulwechsel waren ja die Ausnahme, nicht die Regel. Man war in seiner Blase und blieb da, andere Schulen, andere Welten. Hauptschule St. Georg, Berufsschule, Realschule Schweiklberg, oh und die Sonderschule nicht zu vergessen. Die nicht mehr so heißen darf, damit es ja nicht versehentlich mit einem Eliteinternat verwechselt wird.
Auf dem Weg zum Schwimmbad kam man daran vorbei. Erst das Altersheim links, dann die Sonderschule rechts. Kinder sah und hörte man dort fast nie. Weil sie versteckt wurden, oder weil es so wenig zu lachen gab? Wieso lernt man nicht in anderen Klassen, dass man sich um die schwächsten in der Gesellschaft kümmert? Aber mit den Alten machen wir es ja dann genauso. Man sieht sich höchstens, quer über die Straße.

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