Friedlich lagen wir unter dem Himmel. Man verliert sich darin, bis man seine Finger in das Gras und die Erde unter sich krallt, um sich zu versichern, dass man noch da ist. Unter anderen Umständen hätte ich jetzt gerne ihre Hand gehalten, aber das hätte nach dem Traum ein falsches Signal gesendet. Das mache ich mit Walentyna.
So zu den Sternen zu sehen ist ein Akt des Sich-selbst-vergessens. Das fühlt sich nach einer Weile an wie mit offenen Augen zu träumen, das Ich löst sich auf, man ist nicht mehr da. Ist das nicht das Ziel von Meditation, ein sich frei machen von Emotionen? Dann war das für Nadja wohl so, und ich ahnte, weshalb sie so daran hing.
„Tut mir leid, wenn ich mit meiner Geburtstagsüberraschung zu weit gegangen bin“, sagte ich entschuldigend.„Ist schon in Ordnung. Erst wollte ich dir den Kopf abreißen, aber als ich Daniel sah, wie er dich ohrfeigte, da … ich weiß nicht, da wurde mir schlagartig bewusst, dass …“
„Mir auch.“
„Ach, du Kindskopf“, sagte sie. „Mir ging das Licht auf, dass es richtig war damit nicht länger zu warten. Wir haben es so lange vor uns her geschoben …“
„Sag doch wie es ist: Wir hatten Angst.“
„Ja. Die ist aber dann irgendwann verflogen, und dann haben wir es vergessen. Oder eigentlich nur verdrängt.“
Wir trieben eine Weile schweigend durch den Nachthimmel, und langsam wurde es mir am Rücken kalt.
„Sag mir bitte die Wahrheit, Johann.“ Nadine sah weiter zu den Sternen über uns. „Hast du ihn auch gefunden?“
„Wen meinst du?“, fragte ich, aber sie antwortete nicht. Dann verstand ich und war froh, dass sie nicht sehen konnte, wie ich vor Schreck errötete. „Würdest du es denn überhaupt wissen wollen?“ Die Gegenfrage erkaufte mir einen Moment Zeit, denn sie schwieg weiter. „Ich habe meinem Vater eine Einladung geschickt, und er hat versprochen zu kommen. Und? Hast du ihn hier gesehen? Ich jedenfalls nicht.“
Das schien ihr zu genügen, denn sie fing wieder zu sprechen an. „Von ihm weiß ich nur, dass er vermutlich 2007 als Ausbilder für Notfallsanitäter in Dortmund gearbeitet hat.“
„Vermutlich?“
„Es war kein Foto dabei, und A. Rothe ließ genügend Spielraum, dass es doch ein anderer sein könnte.“
„Oder eine Amanda …“, ergänzte ich, aber sie schwieg wieder. „Dortmund wäre doch NRW – wieso hast du mich nicht gefragt, ob ich das intern herausfinden könnte? Das wäre ein Klacks gewesen, ich … soll das heißen, du bittest mich gerade darum, dass ich nach ihm suchen soll?“