21.07.20

Endlich frei, endlich kann ich den Traum aufschreiben. Zum Glück hat Schwester Anita akzeptiert, dass ich in der letzten Nacht mit der Chronologie durcheinander gekommen bin. Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich mit Nadja allein war, als ihr Geburtstag gerade mal begonnen hatte. Aber ich musste ihr unbedingt den Traum erzählen, den ich dort in der ersten Nacht geträumt hatte. Der geht Anita einfach nichts an, der war nur für uns beide bestimmt. Wir lagen im Gras auf der anderen Seite der Ruine und sahen in die Sterne über uns. Mit der Zeit wurden ganze Wolkenbänder aus Sternen sichtbar, wie festgefrorene Wolken oder Eiskristalle.
„Es ist immer noch zu hell“, sagte Nadja. „Aber auf jeden Fall besser, als in der Stadt.“
„Traurig, dass wir Deutsche dort oben nur wieder Autos sehen, einen Kleinwagen neben einem SUV, und umgeben von viel Getier, das man überfahren kann.“
„Wir glauben in diesem Land eben mehr an Autos, als an die Schöpfung“, sagte Nadja. „Häuser haben häufiger eine Garage dran, als ein Kreuz drinnen.“
Ich lachte. „Und wir beten nicht zu Jesus, sondern zur Autobahn: Bitte, bitte, heute keinen Stau!“
„Zur Milchstraße“, sagte Nadja plötzlich. „Wie beten zur Milchstraße.“
„Du“, begann ich, „darf ich dir erzählen, was ich gestern Nacht geträumt habe? Du kamst auch darin vor … oder vielleicht eher Nadine.“
„Johann, besser nicht, ich …“
„Nein, nicht wie du denkst. Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.“ „Okay.“
„Erst fing es an, wie die meisten meiner Träume im letzten Jahr, ich
war wieder an meiner alten Schule und auf der Suche nach dem richtigen Zimmer. Aber es war gar kein Zimmer, sondern eine Flugnummer. Flug 107, zum Mond. Glaube ich jedenfalls. Dort oben halt.“ Mir war, als würden die Sterne mehr leuchten, aber wahrscheinlich gewöhnten sich nur meine Augen weiter an die Dunkelheit. „Ich glaube, es war deswegen an meiner Schule, weil ich dich schon damals hätte loslassen müssen, in der Vergangenheit.“
„Du meinst Nadine?“
„Ja, genau. Der Geruch dort war nicht Benzin, sondern … ich weiß nicht Kerosin? Wobei, ich hab keine Ahnung wie das überhaupt riecht. Treibstoff also – Raketentreibstoff, um genau zu sein. Der Startplatz musste irgendwo bei der Aschenbahn sein, da wo durch den Zaun geschlüpft bist? Aber als ich auf den großen Pausenhof hinaus trat, hatte die Turnhalle kein Dach mehr, und dort ragte die Spitze der Rakete in den Nachthimmel. Ich erkannte sie sofort als die von dem Wandbild wieder, das mal darunter gewesen war …“
„Was für ein Wandbild?“, fragte Nadja.

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