21.05.20

„Ob der Bundeskanzler die Leserbriefe in der Micky Maus liest … zutrauen würd’ ich’s ihm, aber …“
„Das ist es!“
Dann schleifte mich Daniel mit auf den Stadtplatz, zum Unterschriften sammeln. Am Samstag. Natürlich wollte da erst keiner stehen bleiben. Und blieb doch mal einer stehen, hörten die uns nicht zu, meinten das brächte nichts, oder wollten ihre Adresse nicht angeben, damit sie keine unerwünschte Werbung kriegten. Uns ging es um Bäume und Zukunft, wieso redeten die auf einmal von Werbung? Was hatte denn Werbung mit einer Adresse zu tun? Wir verstanden den Zusammenhang nicht. Oh, wie naiv wir gewesen sind. Dann begann es noch zu regnen, nicht dolle, aber genug, das schon die ersten Unterschriften wieder verschmierten. Aber einer von uns konnte sich unterstellen, und der andere blieb im Regen stehen, was dann die Aufmerksamkeit endlich umdrehte. Das wusste jeder Passant besser, und niemand lässt eine Gelegenheit aus ein Kind zu belehren. Daniel stand dort wie auf dem Präsentierteller. Die Leute blieben stehen, weil man im Regen stand, und so schickte Daniel die Leute zu mir, unter’s Vordach der Sparkasse, oder die Einkaufspassage, und dann hatten wir tatsächlich irgendwann um die 200 Unterschriften zusammen und kein Papier mehr. Prima. Und … jetzt?
Jetzt mussten wir herausfinden, was damit zu tun sei. Ich schlug vor, sie ins Rathaus zu tragen, die konnten das bestimmt nach Bonn weiterleiten. Aber Daniel überzeugte mich, dass das wahrscheinlich zu lange dauerte, und zu unsicher sei. Nicht, dass sich der Bürgermeister unser Engagement auf die Fahne schrieb.
„Das schicken wir besser selber hin.“
„Dem Bundeskanzler?“, fragte ich vorsichtshalber nach. „Kohl?“ Daniel war von der Antwort wohl überrascht, sie war glaube ich
besser als das, was er sich überlegt hatte – wenn überhaupt – übernahm dann aber den Vorschlag, als wär’s sein eigener gewesen. „Genau so machen wir’s!“
Und wie kriegte man damals eine Adresse raus, so ganz ohne Google? Wussten wir auch nicht. Und wir konnten sie ja schlecht selbst vorbei bringen. Wir reden von 1984, da war Bonn genauso unerreichbar weit weg wie Berlin hinter dem eisernen Vorhang, und wir wohnten im tiefsten Bayern. Wir gingen am Montag nach der Schule zum Postamt, denn dort gab es die Telefonbücher für ganz Deutschland, aber nicht einen Helmut Kohl in Bonn, sondern fünf!
„Wir könnten anrufen“, schlug Daniel vor. „Du zwei, und ich drei.“ „Aber was soll ich denn sagen?“
„Du musst gar nicht sagen, du erkennst den doch an der Stimme. Dann legst du auf.“
„Nicht bei allen steht eine Adresse dabei. Vielleicht sind das ja Doppelgänger? Um den echten zu schützen?“
„Glaub ich nicht.“ Daniel schüttelte den Kopf und begann zu grübeln. „Mist, du hast wahrscheinlich recht.“
„Sonst könnte den ja jeder anrufen,“ erläuterte ich meine geniale Schlussfolgerung. „Oder es könnte auch Hannelore rangehen, weil er gerade auf dem Klo ist.“
„Wer?“

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