„Früher waren die Kinderkrankheiten einfach besser“, warf ich sarkastisch ein. „Alles wird nostalgisch verklärt, wenn es nur lange genug her ist. Heute schwärmen Leute allen ernstes von Werbespots, die ganz und gar furchtbar waren und schauen sich Werbeblocks von damals an. Oder die Serien, die davon unterbrochen waren. Die gucken wir doch heute nicht, weil sie so gut waren, sondern weil sie damals unsere Realitätsflucht darstellten.“
„Es liegt eben etwas beruhigendes in der Wiederholung. Die Abwesenheit von Überraschung ist angenehm, aber auf Dauer nicht gut für das Gehirn.“
„Will jemand von euch auch einen Tee?“, fragte Anita in die Runde. „Ich wollte mir gerade einen aufbrühen.“
„Ja, gerne“, sagte Heßler, obwohl ich ihm zu signalisieren versuchte, dass das keine gute Idee sei. Die Alpenveilchen werden sich bedanken. „Hast du eigentlich Picknick am Valentinstag gesehen?“, fragte ich versehentlich laut.
„Nicht im Kino, da bin ich mit ziemlich sicher. Ich glaube der ist bei uns nur im Fernsehen gelaufen. Habe den aber nicht mehr vor Augen.“ „Dann bringe ich dir mal die DVD vorbei. Der hat etwas
entspannendes.“
Als Heßler sich wieder hinlegen ging, und mir die Entsorgung seines Tees überließ, überlegte ich weiter, ob nicht sogar ASMR so etwas ist wie die neue Rock-Musik sein könnte. Nur nicht mehr mit Gitarren, sondern als pure Dekonstruktion. So zerlegt kann jedes isolierte Geräusch einem die Haare im Nacken kribbeln lassen.
Als Konzert kann ich mir das irgendwie nicht vorstellen, es geht ja nicht darum das Leise laut zu machen. Aber was wenn stattdessen alle mit ihren Kopfhörern im gleichen Raum wären? Ein Konzert so leise, dass man es in einer Bibliothek veranstalten könnte – die Akustik wäre schon allein der Bücher wegen viel besser. Das muss ich unbedingt Walentyna erzählen!
© Jens Prausnitz 2023