20.06.20

„Das bezog sich auf die Pest, weil da die Leichen schwarz wurden.“ „Oh, okay.“ Wir schwiegen auf dem Weg zum Bereitschaftszimmer.
„Hast du nie daran gedacht etwas von deinem … Geschriebenen herauszugeben?“
„Um Himmels Willen, nein. Wieso sollte ich? Ich habe das nicht geschrieben, damit es gelesen wird, sondern um es geschrieben zu haben.“
„Ist doch schade drum“, meinte ich.
„Kann man so sehen, bin da aber anderer Meinung. Schreiben ist die wahrscheinlich größte Kulturtechnik, die die Menschen je hervorgebracht haben, darum“, sagte Heßler. „Du trittst in Dialog mit dir selbst und du vergisst für einen Moment deine Einsamkeit im Universum. Jedenfalls ein bisschen. Und ein bisschen reicht ja oft schon. Musik machen ist schwerer.“
„Sag mal“, begann ich vorsichtig. „Überarbeitest du die Texte nicht auch?“
„Nein, jedenfalls nicht als bewussten Akt. Ich ziehe keinen Ordner in der Absicht aus dem Regal und suche mir etwas aus. Aber Themen kommen wieder und ich kann sie besser zu Papier bringen, als beim ersten Mal.“
„Und du hast nicht vor irgendwann damit aufzuhören?“
„Nein, warum sollte ich? Es macht mir doch Spaß und beruhigt mich.“
„Das beruhigt mich. Weil dann steckt kein Attentäter in dir.“ Heßler lachte. „Doch, natürlich!“
„Wegen dem einen Buch das du geworfen hast, oder wie jetzt?“
„Sei doch nicht albern“, sagte er amüsiert. „In jedem von uns steckt ein Attentäter. Aber so lange ich schreibe, halte ich ihn in Schach. Darum werde ich auch nie fertig.“
Heißt das, ich darf jetzt auch nie wieder mit dem Schreiben aufhören, damit ich nicht irgendwann durchdrehe? Der Gedanken gefiel mir ganz und gar nicht.
Dann begann er zu rezitieren: „Ich möchte nicht tot und begraben sein, als Kaiser zu Aachen im Dome. Weit lieber lebt’ ich als kleinster Poet zu Stukkert am Neckarstrome.“
„Von dir?“
Er schüttelte den Kopf. „Heine.“
„Sitz still auf deinem Pulverfass, Raketenstart von Rampe drei, halt die Luft an mach dich nass, im Weltraum gibt es hitzefrei.“ Heßler runzelte die Stirn. „Und das war von …“
„Von mir. Könnte aber auch von Otto sein“, sagte ich. „Welcher Otto? Bismarck?“
„Waalkes.“ Jetzt war ich ausnahmsweise mal derjenige, der breiter grinste.

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