Da musste ich erst einmal überlegen. Dann sagte ich aber „Filme. Ich stelle mir beim Lesen einer Geschichte ja schon selber Bilder vor.“
„Und ohne Bücher? Hättest du da noch Bilder im Kopf?“ „Na ja, spätestens wenn ich träume.“
„Siehst du.“ Er wirkte zufrieden mit meiner Antwort. „Also doch Platten“, schlussfolgerte ich.
„Nein, nicht Platten, sondern Musik!“, rief er amüsiert über meine Begriffsstutzigkeit und klebte sich ein kleines Pflaster um seinen Finger.
„Meinst du Instrumente? Ist es das, was du hören willst?“
Wieder schüttelte er den Kopf. „Ich will, dass du endlich singst.“ „Bitte?“
„Ein Instrument kann dir auf der Insel kaputt gehen. Was du immer bei dir trägst ist deine Stimme und dein Herz. Melodie und Rhythmus. Zusammen erzählen die immer eine Geschichte, die Bilder erzeugt.“
„Ach so meinst du das.“
„Aber verstehst du es auch?“ Heßler stand auf und klatschte in die Hände. „Musik ist unsere älteste Kulturform. Wahrscheinlich älter als Sprache. Hervorgegangen aus Rhythmus.“
Schlagzeug, dachte ich. Wortwörtlich. Alles taugt dazu, was halt gerade herumliegt und man zur Hand hat. „Dann folgt Klang“, sagte ich leise.
Er lächelte und nickte.
„Rhythmus, Klang und … Wort“, setzte ich die Reihe fort. „Nein, erst Bild, dann Wort … und Schrift?“
„Und dann kommt erst Film“, schloss Heßler.
„Wieso gehst du dann eigentlich nicht ins Kino?“, wollte ich wissen.
„Wieso gehe ich nicht mehr ins Kino“, korrigierte er meine Frage und gab mir damit bereits eine Antwort. „Wie läuft es eigentlich mit deiner Musiziererei?“
„Ach ich weiß es selber nicht“, druckste ich herum. „Eigentlich ganz okay. Aber ausgerechnet jetzt, am Anfang einer Pandemie kreativ werden? Ich weiß nicht.“
„Shakespeare hat seine Stücke während der Pest geschrieben. So viele Klassiker haben den Katastrophen, Kriegen und Seuchen getrotzt, und Werke geschaffen, die heute noch Trost spenden.“
„Wer liest denn heute noch oder hört Musik? Wenn es sich nicht streamen lässt und aus Kopfhörern quäkt, dann findet es nicht mehr statt. Oder hast du schon ein Hörbuch auf dem Weg zur Arbeit angehabt?“
„Da kannst du warten, bis du schwarz wirst.“
„Na na, ist das nicht ein bisschen rassistisch?“