20.02.20

Auch der Döner ist schon lang genug hier, um inzwischen von der gesellschaftlichen Mitte für ein deutsches Gericht gehalten zu werden. Heute gibt es Sushi oder andere asiatische Küche in jeder Kleinstadt, sogar in Vilshofen. Wenn sie jetzt noch ein Libanese oder Syrer bekocht, ist in zehn Jahren den Nazis jede Grundlage entzogen.
Nach dem Essen geht’s dann noch auf ein Eis, selbstverständlich zum Italiener. Aber wehe, der Kellner flirtet mit der deutschen Begleitung. Völlig normal natürlich, dass der Bedienung hinterher geguckt wird, der Tochter vom Inhaber, mit dem man gerne mal … aber das ist ja auch immer was ganz anderes. „Nicht so gemeint“, „ein Kompliment“ oder der ewige Klassiker: „war doch nur Spaß“. Doppelmoral mit Rechtsprechung zu verwechseln, passiert auch irgendwie immer den gleichen Leuten.
Doppelmoral und verunsicherte Männlichkeit. Weil die Ausländer könnten ja was haben, das einem selber fehlt: Charme zum Beispiel. Oder Humor. Und nein, das heißt nicht, dass über jeden deiner „Witze“ gelacht wird – die sind vielleicht gar nicht für alle so komisch, wie für dich. Strengt euch halt mehr an, Jungs. Nicht vor dem Spiegel mit den Muckis und dem fetten Bass im Auto, sondern mit zuhören statt „hömma“, begreifen statt begrabschen, verstehen statt Ständer.
Gastarbeiter haben dieses Land wieder aufgebaut, und wessen Kinder werden heute hier erschossen? Der Rassismus steckt in allen Köpfen drin, und wahrscheinlich braucht es eher 30 Jahre, bis man sich auch in der Provinz an neue Umstände gewöhnt hat, und 100, bis es sich ins letzte Dorf rumgesprochen hat.

In Vilshofen waren unsere ersten Ausländer Gastronomen, Ärzte und Mediziner. Immer gern genommene Fachkräfte. Wer sonst ging auch freiwillig in die Provinz? Manche Namen wurden Synonym für deren bevorzugte Behandlungsmethode. Der obligatorische Gips von Dr. Chahri etwa, dem Chefarzt des Vilshofener Klinikums, in dem vermutlich ein bildender Künstler schlummerte, denn er liebte dieses Gestaltungsmaterial sehr, und das machte er gerne immer selber, weswegen er jeden Vilshofener zunächst bewegungsunfähig machte, und sie später mit einer Säge davon befreite. Das schafft vertrauen, Gips für Gips, Knochen für Knochen.
Wie sind die damals eigentlich empfangen worden? Wohl nicht mit Brandsätzen. Woran ich mich aber noch gut erinnern kann sind die ersten Asylanten, die es zu uns verschlagen hatte. Da konnte man nachts immer noch sicher über die Straße gehen. Also außer beim Volksfest vielleicht, wenn noch mehr Betrunkene am Steuer saßen, als nach den Discos am Wochenende. Da wickelte sich immer wer um Bäume, und man hatte sich daran gewöhnt. Ein Ort wie Cham hatte nie Asylanten gesehen, fürchtete sich aber so sehr vor ihnen, das glatt 60 Prozent die Republikaner wählten. Aus Angst vor Kuthulu.
Was der Bauer nicht kennt, erschlägt er noch auf dem Feld. Wer sonst nichts hat, hat Nazi-o-Nalstolz.
Ich versteh es nicht. Hätten die vor 30 Jahren ihre Brandsätze auch auf unser Lager geschmissen? Natürlich nicht. Waren ja Weiße drin. Deutlicher kann man Rassismus nicht ausbuchstabieren. Und es trifft immer die ärmsten, die die nichts mehr haben.
In Hotels fliegen andere Cocktails, die Geschäftsreisenden und Touristen sind sicher. Wenn es um Geld geht, sind alle willkommen, aber Arme? Die schwangere Maria und Josef wollte auch keiner haben, steht schon so in der Bibel, christliche Tradition also. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Und wenn sie schon die Bibel mit so einem Verständnis lesen, dann haben wir es nicht besser verdient, wenn wir jetzt aussterben.
Ich kann einfach nicht mehr.

© Jens Prausnitz 2023

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