20.02.20

„Ich mag wie du denkst.“
„Dazu das passende Lied auf den Lippen: ‚Ein bisschen Spaß muss sein.‘“
„Uh, die Schmergrenze für Multikulti.“
„Scherzgrenze“, korrigierte sie und ließ ihr Reizgas wieder verschwinden.
„Schluss mit lustig.“ Ich drückte die Kippe aus und rubbelte mir durch die Haare. Ich war schon im Gehen und bedankte mich für die Zigarette, als Birgit plötzlich sagte: „Du … meldest dich seit Wochen nicht mehr“, begann sie zögerlich. „Ist irgendwas?“
Ach du grüne Neune. Ich verkack auch wirklich alles. „Nein ich – tut mir leid, ich hatte so viel um die Ohren und …“
„Du hast jemanden kennengelernt“, fiel sie mir ins Wort.
Eigentlich wollte ich etwas anderes sagen, aber da es ja irgendwie doch stimmte, nahm ich die Vorlage dankbar an, schwieg und nickte schließlich. Birgit lächelte gequält und machte sich auf den Heimweg. Ich sah ihr nach und fühlte mich elend, war kurz davor ihr etwas hinterher zu rufen, wie: „War schön mit dir geredet zu haben.“ Aber zum Glück entschied ich mich für Schweigen.
Die Kolleginnen mieden mich die ganze Schicht, geschah mir ganz recht und war mir heute auch wirklich lieber so. Ich will niemandem etwas unterstellen, aber im Wegsehen sind wir Weltmeister. Unseren Rassismus verleugnen wir, verdrängen ihn in eine Zeit vor unserer Geburt zurück, als wären wir nicht selber noch mit merkwürdigen Hinweisen aufgewachsen, wie: „Iß jetzt bitte auf, weil in Afrika verhungern die Kinder.“ So lernt man nebenbei, dass dort bittere Armut herrscht. Aber warum? Wer lässt sie denn verhungern? „Sei still und iß.“ – „Aber ich will nicht, dass die Kinder verhungern. Ich geb ihnen gerne was von meinen Brokkoli ab.“ – Spätestens hier rutscht dann jemandem die Hand aus und man schluckt ihn hinunter: Rassismus auf Brokkoli, ein Rezept aus der Hölle.

Zu Hause erwartete mich ein aufgeschnittenes Brötchen, deren belegte Hälften mich versteinert anblickten. Die Käsescheibe auf der einen war an den Ecken eingetrocknet und dunkler geworden, die Salami auf der anderen versuchte sich nichts anmerken zu lassen, obwohl ihr der Schweiß auf der Stirn stand. Daneben steckte noch das Messer im zweiten Brötchen, genau an der Stelle, an der ich heute früh aufgehört hatte es aufzuschneiden. Ein Stilleben. Frühstücksnachrichten.
Erst beschwerten sich die Deutschen über die Gastarbeiter aus Italien und Griechenland, die unser zerbombtes Land wieder mit aufgebaut haben, weil es bei denen immer so komisch roch. Die tun doch an alles Knoblauch! Ja was denn sonst, fragt man sich da heute. Und kochen konnten die alle besser, als wir Sauerkrauts. Und wo gehen wir heute am liebsten essen? Pommes, Pizza, Spaghetti, Gyros und Olivenöl, die Liste ist endlos, bevor da Eisbein oder Wurstsalat auftaucht. Machen wir es doch so: Jeder Deutsche, der sich ein Jahr lang nur von Kraut und Rüben ernährt, darf einen Asylantrag ablehnen. Er muss aber täglich zur Mittagszeit an den ganzen Restaurants vorbei flanieren. Liebe geht durch den Magen, und Hass ist vielleicht nichts anderes als einseitige Mangelernährung. Im Geist und Darm.

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