17.06.20

Eben Picknick am Valentinstag geguckt. Zum Frühstück am Mittag. Eigentlich wollte ich nur reingucken, und dann habe ich ihn doch zu Ende geguckt. Ist einer von denen, wo man nicht aufhören kann, wenn man ihn erstmal angefangen hat. Er hört mit der Wiederholung von Bildern auf, die wir zuvor bereits im ersten Drittel schon einmal gesehen haben, und danach auch in Zeitlupe. Nur sind sie jetzt so sehr verlangsamt, dass man die Einzelbilder als solche erkennt, und damit zerfällt auch die Illusion des Films, und man wird zurück in die Wirklichkeit entlassen. Das letzte Bild ist von Miranda, wie sie sich umdreht und ihren Weg geht. Dieses traumartige Gefühl noch nicht wieder ganz wach zu sein hält aber länger an, und das liegt nicht am verschlafenen Vormittag. Die ersten gesprochenen Worte könnten auch aus einem David Lynch Film stammen, „a dream within a dream“ – und eigentlich ist dieses Mädchen hier wie eine Schwester von Laura Palmer. Statt „black lodge“ eben „Hanging Rock“, wo man glaubt im Wald zu stehen. Das Gedicht ist aber von Edgar Allen Poe. Passt aber immer noch.
Wenn ich die Wandbilder nicht noch einmal ansehen kann, dann schaue ich jetzt eben jeden Tag diesen Film an, bis ich ihn endlich verstehe. Hat nicht Heßler was in der Richtung gesagt, dass jedes Ritual eine beruhigende Funktion hat, egal wie absurd es auch ist? Für ihn sei das sein Bett zu machen – das könnte mir nie passieren. Nur wenn ich Besuch erwarte. Also nicht im Bett, sondern der Wohnung. Wobei im Bett natürlich auch.
Eigentlich nicht überraschend, ich höre ja auch Musik gerne wieder und wieder an, nehme meine Lieblingsbücher gerne wieder in die Hand und lese mich mittendrin darin fest – wieso also nicht auch bei Filmen?

„Anita, darf ich dich was fragen?“ Ich rutschte mich auf dem Stuhl zurecht. „Wieso wolltest du eigentlich auf eine Normalstation wechseln? Ich weiß warum, aber woher kam der Impuls?“
„Ach weißt du“, sagte sie. „Ich wollte mich nicht noch einmal hilflos und überrumpelt fühlen.“
„Wegen etwas bestimmten?“
„Ja.“ Schwester Anita seufzte schwer. „Das war noch am Anfang meiner Zeit als Krankenschwester – ach, was rede ich da – 10 Jahre war ich schon im Beruf und glaubte mich könnte nichts mehr überraschen, und dann …“
„Dann was?“
„Dann sollte ich Blut abnehmen.“ Sie schluckte. „Bei einem schwarzen Kind.“ Tränen standen ihr in den Augenwinkeln. „Ich wusste nicht wie man da die Vene findet, unter schwarzer Haut. Während ich suchte schwand das Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens, und ich wusste, dass ihr das nicht zum ersten Mal passierte. Wer weiß worauf sie sich da im Kopf schon vorbereitete: einen zerstochenen Arm, Blutergüsse … Ich brachte es nicht über mich und musste eine Kollegin holen. Nie wieder habe ich mich so geschämt. Bis zu dem Tag war es mir nicht einmal in den Sinn gekommen, dass ich jemals Patienten mit einer anderen Hautfarbe als weiß haben könnte.“

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