„Und einfacher zu greifen“, fügte Daniel hinzu und warf einen verstohlenen Blick zu seiner Mutter. „Manche Sachen ändern sich nie.“ Aber sie hatte sich verändert. Hager war sie geworden, und ich konnte nicht anders, als zu denken, dass es seinetwegen gewesen war.
„Können Sie – kannst du ein bisschen Abstand nehmen bitte? Wegen Covid?“, bat die Tochter-Schwester besorgt.
Daniel hob entschuldigend die Hand und machte zwei Schritte zurück, wo er sich auf den Boden setzte. Er hatte Tränen in den Augen, was ihn belustigte. Lukas und ich standen bewegungslos da.
„Warum weint Daniel, Mama?“
„Weil …“ Sie sah hilfesuchend zu ihrer Mutter, dann zu Daniel und wieder zurück zu ihrem Sohn.
„Griaß sie Gott Frau Speck“, sagte Lukas und winkte der Gruppe vor sich zu, die ihn verwundert ansah. Beinahe hätte ich ihn verbessert, biß mir aber auf die Zunge.
„Du hast dich überhaupt nicht verändert“, sagte Daniel’s Mutter mit zittriger Stimme und räusperte sich. Sie hielt eine Hand vor ihr Herz und rückte mit der anderen ihre Brille zurecht. „Aber es heißt Brant.“
„Wie Willy Brandt?“, fragte ich so unschuldig wie möglich.
„Nein, nur mit ‚t’ wie in Branntwein, aber nur einem ‚n‘.“
„Da kriag i direkt durscht. Wer mog no eps zum Tringa, i gangad was bestöin.“
„Spezi!“, rief Franz.
„Huifst du mir tragen? Mit Abstand und so? Alle andern an Kaffee mit Baldriantropfn und an Schnaps, stimmt’s?“
Der Junge sah fragend zu seiner Mutter, die müde nickte. Die beiden trotteten davon.
Das lief bis hierhin ja weit besser, als erwartet.
„Gut schaust du aus, Junge“, sagte Frau Brant plötzlich. „Und doch anders.“
Daniel nickte und sah ihr in die Augen. „Das ist das Lächeln in meinem Gesicht, Mutter. In den letzten Jahren wirst du es nicht mehr gesehen haben.“
Sie wendete ihren Blick ab und rang nach Worten, die sie nicht fand.
„Das war’s schon, nicht wahr?“ Daniel drehte sich zu seiner Halbschwester. „Hat sie euch denn etwas erzählt, wie es bei uns zu Hause zu ging? Das Gebrüll? Die Schläge?“