Weil Daniel noch überlegte, sagte ich: „Neunundachtzig Grad“ und begann den Beat zu spielen, den ich mir dafür ausgedacht hatte. Ich sah zu Daniel, der nickte, dann zu Lukas, der mir mit beiden Augen zuzwinkerte. Auf mein Zeichen machten sie sich fertig, ich spielte die Bridge und da waren wir.
Danach spielten wir noch „Gleich“ und „VVW“, die wir ebenfalls für neutrale Zuhörer fehlerfrei über die Wiese unserer Bühne brachten.
„San des wirklich eben mia gwen?“, fragte Lukas, dann nahm er den Bass ab und lief den Weg zum Parkplatz hinauf. „I hob eps vergessn!“ Kurz darauf kam er breit grinsend zurück. „Für an Kastn hod der Platz nimma greicht, aber a Sechsertragl vom Degenhart hat no eine passt.“ Lukas zauberte es hinter seinem Rücken hervor: Hacklberger.
„Aber …“, begann Daniel.
Lukas und ich zischten ihn unisono und in Stereo an, nahmen uns je ein Bier, dann nahm auch Daniel seufzend eins aus dem Sixpack. Wir stießen mit den verschlossenen Flaschen an und Lukas sagte: „Oans fia alle, alle bis auf oans …“
„Zwoa“, rief ich.
„Gsuffa werd erst nach der Prob“, vollendete Daniel unser Motto, sammelte die Flaschen wieder ein und stellte sie in den Kühlschrank. Wir standen zufrieden mit uns selbst auf der Terrasse, und langsam kam meine Nervosität wieder. Was, wenn die Münchner gar nicht kämen?
„Mei, des is foi schee da herom. Scheena warat vielleicht nur a Baumhaus in dene Eschen. Stellt’s eich vor, da hätt wer von oben zughört und zu uns obe gschaut.“
„Schlag’s doch der Wirtin vor“, meinte Dennis.
„Wolltet ihr nicht in die Sauna?“, fragte Daniel Nadja, die Marion auf dem Arm hatte.
„Sandra und Helene sind ja gegangen, ich hab mich freiwillig für den Dienst an diesem Zuckerschnäuzchen gemeldet.“ Lukas platzte beinahe vor Stolz, und nahm seine Tochter auf den Arm.
„No a bisserl Sonnencreme auf de Nasn, und du kriagst sie glei zruck.“
„Wo sind denn die beiden?“, fragte ich und meinte Clara und Mario, die das erste Stück gefilmt haben und dann verschwunden waren. Nadja bedeutete hinter mir, also trat ich zur Seite, damit sie ins Haus konnten.
Clara presste kurz die Lippen zusammen, blieb neben ihrer Mutter stehen und sagte: „Zähl nochmal nach.“
Ich hielt die Luft an und beobachtete Nadja, deren Lächeln kurz einfror, und sich dann verbreiterte. „Soll das ein Scherz sein, oder …“
„Ich bin schwanger“, brach es aus Clara heraus, die beide Hände schützend vor ihren Bauch hielt.
Nadja nahm sie in einer flüssigen Bewegung in die Arme und hielt ihre Tochter fest, ohne ein Wort zu sagen. Tränen der Erleichterung brachen sich bei beiden Bahn, und mir wurde warm ums Herz, ohne dass mich dazu ein Baby vollspucken musste.