„Wir könnten die Sauna ausprobieren?“, schlug Mutter vor. „Um Marion kümmert sich so lange jemand aus dem Hexenhaus.“
Die plötzlich eintretende Stille ging mit einem allgemeinen Atemstillstand einher.
„Was denn? Habt ihr das noch nicht gesehen?“, fragte sie. „Hinter dem Haus bei dem Kinderspielplatz? Das ist so schön schräg.“
„Johann?“, hörte ich Sandra fragen. „Ja?“
„Deine Mutter gefällt mir.“
Vor der Probe hatten wir noch ein Problem zu bewältigen. Die Stromversorgung. Zwar hatte Daniel ein Verlängerungskabel mit und Lukas Mehrfachsteckdosen, aber wo man draußen proben konnte war einfach kein Anschluss in der Nähe. Aber die Wirtin überließ uns ihre Kabeltrommel und dann konnte es losgehen. Wir standen unter den Eschen, in Sichtweite vom Tiny House.
Der Plan war die Locations nach jedem zweiten Songdurchgang zu wechseln. Offiziell um Kameraperspektiven zu proben, weil vom Licht wäre es erst gegen Abend interessant, wenn die Sonne tiefer stünde. Inoffiziell hofften wir so den anderen Gästen gleichmäßiger auf die Nerven zu gehen, um die Beschwerdebereitschaft so niedrig wie möglich zu halten. Und es klappte. Niemand beschwerte sich, und Mario stand tatsächlich mit seiner Kamera auf uns gerichtet bereit.
„Womit fangen wir überhaupt an?“, fragte Daniel.
„Wie wär’s mit dem Thema von deinem Kanal? Da können wir doch drüber jammen, zum warm werden.“
„Dad i a song.“
„Na dann wollen wir mal“, sagte Daniel und loopte die beiden Akkorde A und D, über die er dann die Melodie legte. Lukas und ich stimmten gleichzeitig auf Sichtkontakt ein, und damit waren wir unterwegs. Es klang ganz furchtbar, aber ehe ich mich versah, war mir das egal, denn es war wie in einen alten Anzug aus dem Schrank zu steigen, der einem wie durch ein Wunder noch immer passte. Mit den beiden zu spielen war … wundervoll. Das ganze Gewicht all der Jahre seit Vilshofen fielen von uns ab, und mit ihnen noch etwas anderes: Scham. Die Angst nicht gut genug für andere zu sein, was X oder Y denken könnten, das Z einen sehen könnte – alles egal. Ich fühle mich frei und flog. Das lag nicht allein an der Sommerbrise, die uns umwehte, mir war so wunderbar leicht ums Herz.
Als Daniel sein Solo beendete und wieder das Thema spielte schaute er uns an, und auf die nächste Eins machten wir Schluß, als hätten wir es schon hundertmal geprobt. Wir sahen einander ungläubig an, dann brandete Applaus von der Terrasse zu uns herüber, wo unsere Familie stand und uns feierte, also verbeugten wir uns.
„Was spuin ma denn jetzt?“, fragte Lukas.