14.06.20

Der festhängende Geruch erinnerte mich an Bayern, wie einen da manchmal im Sommer draußen der Gülleduft empfing. Wenn ein Bauer damit anfing, taten es ihm alle anderen gleich und übertünchte die ganze Region, dass es einem den Atem verschlagen konnte. Das wechselte sich gerne ab mit dem süßlichen Maischegestank der jeweils nächstgelegenen Brauerei, von denen es beinahe so viele gab, wie Kirchen. Na ja, manche sind ja auch bis zum heutigen Tag Klosterbrauereien, was nur beweist, das selbst Mönche Ablenkung brauchten, nachdem sie den ganzen Tag Bücher abgeschrieben hatten.
Wie ein Sternennebel hing das über allem, und wir saßen in unseren isolierten Ortschaften fest, bis es uns die ölige Note vom Zweitaktgemisch erlaubte die Punkte miteinander zu verbinden. Vilshofen war da wie alle anderen Ortschaften auch nur eine Insel unter vielen. Man muss sich Niederbayern als Archipel vorstellen, als losen Inselverbund aus Dörfern, die anstelle von Wasser eben von Wäldern, Äckern und Landstraßen umgeben sind. Wellen und Seegang sind festgefroren als Hügel, Täler, Steigungen und Gefälle, die mit einem Fahrrad zu überwinden viel zu schweißtreibend war. Ertrinken konnte man dort nicht, dafür aber jederzeit in einem Kühlergrill enden, wie ein die Seite wechselndes Reh.
Ohne Motorisierung saß man auf seinem Stern, seiner Insel fest, und versuchte Haifischen gleich über viele Seemeilen hinweg herauszuschmecken, wo das eigene Blut wieder in Wallung gebracht werden konnte, aber es stank nur zum Himmel. Schlimmer noch, irgendwann hing er unweigerlich an uns, wie Harz an den Klamotten. Wir waren nicht reif für die Insel, sondern selber eine.
Wie viele Jahre Aachen hatte es gebraucht, um das abzuwaschen? Da steckt doch ein Lied drin. Unser Major Tom. Also Markus. Er war ja der einzige beim Bund, wenn auch ohne speziellen Dienstgrad. Irgendwas mit Soldat halt. Und sein VW-Bus war unsere zu besingende tin-can, oder besser: unser Boot. Wenn er uns am Freitag mit einem Kasten Bier von der Schule abholte, dann atmeten wir auf.
Einmal fuhr er so schwungvoll über den Bordstein, dass er mit der Stoßstange ein Verkehrsschild berührte. Ein Passant blieb stehen und wartete geduldig, bis er ausgestiegen war, um ihm triumphierend das offensichtliche mitzuteilen: „Sie san da fei vorn angefahren!“
„Das muss das Boot abkönnen“, sagte Markus trocken und wendete sich uns zu. „Worauf wartet’s es noch? An Bord mit euch!“ Und wer waren wir unserem Kaleun zu widersprechen?
Wir tuckerten über die Dörfer, die Fenster heruntergekurbelt, frische Luft und Gestank von draußen zerzausten uns im Wechsel die Haare. Wenn uns dann das Bier zu Kopf gestiegen war, brauchten wir was zu beißen, aber es hatte schon alles zu. Bis auf diesen einen Laden auf der Bürg … wie hieß der noch gleich? Weißer Hahn, wenn ich mich nicht irre. Da gab’s noch Pommes, oder sogar ein letztes „Gickerl“ auf die Schnelle. Und das Lied kriegt als Titel folgenden Namen … na, gleich hab’ ich’s … nicht YYZ, sondern VVW? Okay, ich muss los.

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