11.06.20

„Ach weißt du, mir hätte es schon genügt, wenn sich meine Mutter von dem Arschloch getrennt hätte, so wie deine. Das habe ich mir immer gewünscht, weißt du?“
„Scheiße, nein.“
„Das ist auch nicht gerade das, was einem so mal eben über die Lippen kommt. Ich hab zu Hause so oft es ging von euch beiden erzählt und dabei Mama in die Augen gesehen.“
„Meinst du, sie hat es gemerkt?“
„Sie ist ja nicht gerade mit mir bei Nacht und Nebel weg, oder? Nein, sie hat den Blick nie lange gehalten.“
„Aber nachdem du es ihr vorgemacht hast, hat es bei ihr auch nicht mehr lange gedauert.“
„Das tat mir sogar noch mehr weh. Wenn sie es für sich selber tun konnte, warum dann nicht Jahre vorher mit mir? Für sich selbst und mich? Für uns beide?“
„Sag mal, hat er sie auch geschlagen? So wie dich?“
Daniel schluckte und sagte nach einer Pause. „Ja.“
Ich wartete, obwohl mir eine Folgefrage auf der Zunge lag, gab ihm Raum. Und es funktionierte.
„Einmal.“ Daniel rang mit sich, dann lachte er nervös. „Oder vielleicht sogar öfter davor, ohne dass ich es mitbekommen habe. Ich weiß nicht, aber an dieses eine Mal erinnere mich. Weil … es war der Moment wo ich mich vor sie gestellt habe.“
„Scheiße Daniel, weißt du noch wie alt du da warst?“
„Vielleicht sieben. Oder acht?“ Sein Atem klang zittrig. „Klein genug um durchs halbe Zimmer zu fliegen.“
„Und was ist dann passiert?“
„Mama guckte nach, ob ich mich verletzt hatte, und ich …“
„Was?“
„Ich stellte mich mit dem Rücken zu meinem Vater, so dass ich ihn nicht mehr sehen musste, und Mutter mich verarzten konnte.“ Daniel schniefte. „Da hat sie ihn über meine Schulter angesehen, mit einer Wut im Blick, die ihm Paroli bot. Das war das einzige Mal. Wenn hätte sie da mit mir gehen müssen. In der Nacht. Danach habe ich nie wieder diese Kraft in ihren Augen gesehen.“
„Mann … das tut mir leid.“

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