Morgen kommt schon das achte Video von Daniel, und ich habe noch nicht mal Parts zu allen bisherigen eingetrommelt. Wenn ich mich nicht ranhalte, haben wir nicht genug beisammen, was eine Bandprobe im Sommer mit unseren Familien rechtfertigen würde.
Es hilft nichts, ich muss mich hinsetzen und daran arbeiten. Dazu würde mir ein Arschtritt gut tun. Am besten von mir selbst, und ich hab da schon eine Idee.
Mit Daniel telefoniert. Ein Vorteil von Homeoffice ist, dass ich ihn jetzt tatsächlich auch tagsüber zu Hause erreiche.
„Aber verrate keinem, dass ich gerade den Ton von meinem morgigen Video mastere, statt an einer Bridge zu feilen, mit der weder die Band, noch der Produzent zufrieden ist.“
„Kommt man machmal nicht auf die besten Ideen, wenn man sich mit etwas ganz anderem beschäftigt?“
„Das beste Argument um nichts zu tun“, sagte Daniel. „Da ist aber was wahres dran. In diesem Fall kommt man nur mit Disziplin weiter. Was gibt’s?“
„Ob du’s glaubst, oder nicht, es hat sogar etwas mit dem Video zu tun“, behauptete ich.
„Das hast du doch überhaupt noch nicht gesehen. Oder – hat dir Dennis …“
„Nein, nein“, wandte ich schnell ein. „Das von morgen bestimmt auch, ich meine genauso die anderen.“ Ich schloss die Augen und biss kurz die Zähne zusammen. „Ich habe mir nämlich schon für alle Parts überlegt, und wollte dich fragen, ob du am zweiten Juli-Wochenende schon was vor hast.“
„Nicht, dass ich wüsste“, sagte Daniel verblüfft. „Wieso …“
„Weil ich dann gerne zusammen mit dir und Lukas proben möchte. In Thüringen.“ Jetzt war es raus und ich atmete durch. Dann erschrak ich und schob schnell „bring Nadja und die Kinder mit“ hinterher. Ich hielt die Luft an, aber Daniel sagte nichts. „Hallo?“
„Ja, ich … also“, druckste Daniel herum. „Wow. Das ist ja mal’n Ding.“
Du meine Güte, ich hatte ihn am Wickel! „Die Songs schreiben sich quasi wie von selbst, und ich finde das Momentum müssen wir ausnutzen. Lukas sieht das genauso“, hörte ich mich sagen und schlitterte haarscharf am Abgrund ins Tal der Lügen entlang. Merke: Lukas ebenfalls noch heute beackern, bevor Daniel die Gelegenheit dazu hat. Vielleicht habe ich ja ein bisschen Glück? „Ich muss hier einfach mal raus, verstehst du? So eine Art Kurzurlaub haben wir uns doch alle verdient, nach der Isolation und …“