10.05.20

„Ja, schon, aber es war mehr als das, das ist mir dort unten klar geworden. Vielleicht weil ich dort mein Blut vergossen habe.“
Mutter seufzte. „Du hast zu viel von diesem Heavy Metal gehört.“
„Rush sind doch nicht … aber … okay, das ist gar nicht mein Punkt. Du hast mich dort ein zweites Mal zur Welt gebracht.“
„Sehr poetisch, aber damals wollte dein Körper unbedingt deinem lyrischen Ich in den Tod folgen.“
„Du bist nicht gerade ermutigend, weißt du das?“
„Ist dir das etwa neu? Mir hat damals auch keiner geholfen.“
„Und trotzdem wolltest du nicht allein sein.“ Darauf sagte Mama nichts. „Hah! Jetzt habe ich dich!“
„Und du mich.“
„Also ist Heimat da, wo einen die Mutter zur Welt gebracht hat?“ „Ich weiß nicht, dann müsste ich ja in Zwiesel zu Hause sein.“
„Es zieht dich doch auch dorthin.“
„Ja, aber als ich dann dort stand, und niemanden mehr kannte – da fühlte ich mich wie in einer Geisterstadt“, sagte Mutter. „Nur umgekehrt. Ich war der Geist, der durch die Straßen zog und dort eben nicht mehr zu Hause war. Der Ort war mir vertraut, die Luft, das Licht und der Wald mit der Höhle, aber daheim war ich nirgendwo dort. Nicht mehr.“
„Das finde ich jetzt schon wieder poetisch.“
„Siehst du?“, sagte Mutter lachend. „Ganz ohne Blut.“
„Und Boden“, ergänzte ich. „Heimat ohne Blut und Boden.
Vielleicht so: Heimat ist da, wo eine Mutter ist, die auf dich wartet.“ „Gefällt mir nicht.“
„Aber du warst immer für mich da!“, protestierte ich.
„Ich schon, aber ich bin nicht alle Mütter. Und das klingt viel zu … ortsgebunden? Angebunden?“
„Stimmt, du bist mit mir umgezogen.“
„Ich bin deinetwegen umgezogen, Junge. Das ist schon ein bisschen mehr.“
„Entschuldige bitte.“ Ich schloss die Augen und rieb mir die Stirn.
„Warum macht dich das so wütend? Ich …“
„Weil ich sauer auf meine Mutter bin! Die hat mich doch mit meinem Vater sitzen lassen, ja vielleicht nicht einmal um mich gekämpft. Egal wie herum man es dreht, das verzeihe ich ihr nie.“

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