„Nein, diesmal ist es ihm ernst“, sagte Sandra mit Nachdruck. „Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann ist es auch mehr als eine Idee, die er da ausbrütet.“
„Das hast du schön gesagt“, lobte ich.
„Was?“
„Na, ausbrüten. Häufig setzen Männer während der Schwangerschaft ihrer Partnerinnen eher Umfang an, rein solidarisch.“
„Des dat eam so passn, aber sein Kind geht vor, und für des fress i wie drei.“ Sandra schluckte Luft und rülpste dann beeindruckend tief und lange.
„Was will er denn zur Welt bringen?“
„Das fragst du ihn besser selber, aber bitte ein andermal, ja? Allein vom drüber reden habe ich Appetit bekommen“, sagte sie mit einem Seufzen. „Ach übrigens: vielen Dank für die Weihnachtsplätzchen, die waren ausgezeichnet.“
„Was für Weihnachtsplätzchen?“, fragte ich überrascht.
„Na, die du uns Weihnachten als Bröselmix mitgebracht hast? Ich hab die am Ostermontag bei einem Essflash im Eisfach g’fundn. Und i hob so an Heißhunger auf eps siaß ghobt. Weil sonst nix im Haus war hab i’s auf an Teller und in’d Mikrowelln eine. Super warns.“
„Auferstanden und zum Mund aufgefahren – das hört man gern.“
„Ein himmlischer Genuß. Aber kurz.“
Die zweite Vergebung in zwei Tagen. Ich habe wohl gerade einen Lauf. Wenn mir morgen Frauke über den Weg läuft mache ich drei Kreuze.
Und Lukas hat den gleichen Drang gespürt, wie ich und spielt zu den Videos von Daniel mit! Jetzt sind wir nach 30 Jahren doch noch eine Band geworden. Ironischer Weise erst jetzt, wo jeder von uns woanders und zu völlig verschiedenen Zeiten spielt, sind wir erstmals richtig zusammen, ohne uns darüber zu streiten.
Na ja, vielleicht weil wir den größten Streit gerade erst hinter uns gebracht haben.
Ach, heute ist ja Muttertag, ich rufe besser noch eben Mama an. So langsam gehen mir diese Dauertelefoniererei mächtig auf den Senkel. Derzeit scheint ein unstillbarer Gesprächsbedarf zu bestehen – aber warum denn mit mir? Dieser eine noch, dann stecke ich den Festnetzanschluss bis morgen aus.
„Sieh einer an, der Herr Sohn hat mich nicht vergessen“, begrüßte sie mich.
„Mutter, ich habe dir doch erst vorgestern deine Vorräte aufgefüllt.“ „Aber hast du dir Zeit genommen, um mit mir zu reden?“
„Ich musste zur Arbeit!“
„Du hättest ja früher kommen können“, beschwerte sie sich.
„Ist irgendwas passiert?“, versuchte ich es noch einmal von vorne. „Ja“, sagte sie und schwieg.
„Würdest du so …“
„Frau Loboda ist tot“, unterbrach sie mich. „Und noch zwei, die du nicht kennst.“