09.06.20

Ich machte mich auf den Weg nach Hause und weil mir leicht schwummerig wurde, drehte ich auf dem Spielplatz eine Runde auf dem kleinen Karussell in die entgegengesetzte Richtung, was leider nicht den gewünschten Effekt hatte. Ein Astronaut ist jedenfalls nicht an mir verloren gegangen.
In der Schule wird dann plötzlich aus dem Miteinander ein Wettrennen. Wer was besser kann als andere, früher begreift, schneller rennt und höher springt, fühlt sich anderen überlegen und wird dafür belohnt. Bei den Noten fängt es an, und die Lehrer sind dabei nie gerecht, selbst wenn sie das bestreiten. Da gab es schon Studien drüber, wie die eine, wo die gleichen Arbeiten korrigiert wurden, mal von Ahmet, mal von Achim, und im Schnitt bekamen die deutsch klingenden Namen die besseren Noten? Nicht nur in Deutsch, sondern auch in Mathe? Na ja, da vielleicht nicht, aber selbst dort konnten Formalitäten mehr ins Gewicht fallen, oder eben nicht. „Lass ja keinen Rechenschritt aus, auch wenn du es im Kopf anders machst“, oder „Folgefehler rechne ich nicht mit, wenn du richtig weiter rechnest“. Scheiße, wir hatten sogar mal einen Lehrer, der die Formulierung „Sammler und Jäger“ zurückwies, weil es in der Literatur schließlich immer „Jäger und Sammler“ heiße. Solche Fälle von bornierter Korinthenkackerei bleiben einem ein Leben lang im Gedächtnis. Warum wohl?
Die Eltern verzerren den Wettlauf dann noch weiter, weil wohlhabendere Eltern zahlen für Nachhilfe, Privatunterricht und andere Vorteile, und wenn die Ergebnisse noch immer ungenügend sind, wird halt die Schule verklagt. Wir haben manchmal Kinder mit Burnout in der Notaufnahme, die sich absichtlich selbst verletzen um dem Helikopterumfeld zu entfliehen, oder vor Streß umkippen, physische Symptome entwickeln, weil sie es nicht mehr packen – das Spektrum ist riesig, und nur das Leiden der Kinder noch größer. Ich meine wir haben damals auch gelitten, Druck gespürt und alles, aber ohne dass uns die Eltern rund um die Uhr im Nacken saßen. Gut, außer Daniel halt. Es gab Freizeit, es gab draußen, es gab Fernsehen. Insgesamt sicher weniger Ablenkung, aber auch weniger Beobachtung.

Was spielte für die Verbreitung der Nazi-Ideologie wohl die größere Rolle, Schule oder Hitlerjugend? Ging das nicht sowieso fließend ineinander über?
Das Gymnasium hat uns über die Grundschule hinaus gar nicht so viel beigebracht. Pauken musste man pausenlos und vergaß es danach wieder, weil man es im Gegensatz zu lesen und schreiben nicht im Alltag brauchte. Wahrscheinlich sollte ich Schulalltag schreiben. Und schon machte einem das Schreiben keine Freude mehr. Wie soll die sich auch bei Diktaten – Diktaten! – einstellen? Was ist eine Diktatur anderes, als ein Diktat, das man rund um die Uhr schreibt?

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