Mit Mutter telefoniert. Ich wollte mich mit jemandem treffen, aber sie hat heute keine Zeit für mich.
„Das war ja klar, aber wenn ich nur ins Altersheim komme, dann ist es dir recht.“
„Ich habe heute meine Probestunde Yoga, die mir jemand zu Weihnachten geschenkt hat.“
„Oh, ach so. Na dann.“
„Außerdem hast du mir doch davon erzählt, dass man Kinder und die Alten zusammenbringen soll?“
„Ich?“
„Ja. Und das habe ich gemacht.“
Meine Leitung war mal wieder etwas länger. „Mama, ich bin bald fünfzig!“, platzte es aus mir heraus.
„Werd du erstmal siebzig“, konterte sie und ich beließ es dabei. Wo habe ich das eigentlich aufgeschnappt? Gab es da nicht eine Studie, oder so? Dann sollten Kindergärten und Altenheime in Nachbarschaft zueinander liegen. Was müsste dann eigentlich neben den Parlamenten liegen? Eine Bibliothek wäre vielleicht gut. Oder besser ein Museum. Mit einer Dauerausstellung der kurzlebigen Weimarer Republik. Als Warnung. Davor vielleicht noch eine Bronzestatue von Erich Kästner, der einen Schneeball zertritt.
„Dann trainier mal schön.“
„Das würde dir übrigens auch nicht schaden.“ „Ist ja gut, Mama. Ich weiß.“
„Dann tu was und red nicht.“
Ich schwieg.
„Hallo? Ach, sehr witzig, der Herr Sohnemann. Trotzphase.“
„Trotzki-Schmotzki“, reimte ich wie ein Pennäler und Mutter prustete los.
„Wir können uns morgen Nachmittag treffen, einverstanden?“, schlug sie vor, und ich nahm dankend an.
Musste ich also nur den Abend heute anders herumbringen. Ich glaube, ich entscheide mich für Schlagzeugvideos und dresche dazu ein bisschen auf meine Sofakissen ein.
© Jens Prausnitz 2023