04.05.20

Daniel’s Mutter könnte ich vielleicht über Lukas ausfindig machen, und heute gibt es ja Suchmaschinen im Internet.
Ob Nadja und Daniel das nicht längst selbst gemacht haben? Wahrscheinlich bin ich wieder der einzige, der bisher gar nicht erst auf die Idee gekommen ist. Ich muss ja nicht gleich wissen, was ich damit mache, und erst einmal die Adressen sammeln. Die von Anton Rothe kann ich mir morgen in der Nachtschicht von Schwester Anita geben lassen.

Sie haben ihren Frieden noch nicht mit ihnen gefunden, wie auch? Und haben sie nicht ein Recht darauf zu erfahren, dass sie Enkel haben? Ich glaube es ist für die Enkel wichtiger, als für die Kinder. Wenn Nadja und Daniel schweigen, werden sie zur nächsten schweigenden Generation. Nicht wie die Nazis, sondern wegen den „Verbrechen“ ihrer Eltern an ihnen. Sie sind hier die Opfer und sollten nicht länger über ihr Leiden schweigen, und es ihren Kindern überlassen den Großeltern die richtigen Fragen zu stellen. Die Distanz über die eine Generation hinweg hilft immer, ist so in uns angelegt. Weil die Verknüpfung eine andere ist, unbelastet, über Bande. Wo die Eltern automatisch alles mitdenken müssen, weil ihre Gehirne so verdrahten sind, wird immer auch der alte Schmerz wieder mit aufgeweckt. Enkel und Großeltern stehen aber auf einem unbeschriebenen Blatt Papier, sogar bei niemandem so sehr wie bei Clara und Dennis und ihren Großeltern – beide Seiten wissen gar nichts von der Existenz der anderen.
Aber wie kann man sie zusammenführen? Soll ich es heimlich machen? So wie wir damals Lukas Probeabos und Broschüren nach Hause geschickt haben, mit immer neuen zweiten Vornamen und verdrehten Buchstaben? Ich könnte ihnen schreiben, dass sie etwas gewonnen haben und abholen müssen, oder nein, Freikarten oder sowas, und dann oh, Zufall … Andererseits ist das das Rezept für eine Katastrophe, der Schock nach all den Jahren unvorbereitet aufeinander zu treffen.

Heute koreanisch bestellt, und der Nachbar glaubt wohl, dass ich mir hier frische Viren liefern lasse. Ich habe dem Lieferjungen demonstrativ viel Trinkgeld gegeben, so dass es vom Türspion aus gut zu sehen war und anschließend laut in seine Richtung ins Treppenhaus gehustet.

© Jens Prausnitz 2023

Schreibe einen Kommentar

Schön, dass Sie kommentieren wollen, herzlich Willkommen! Vorher müssen Sie allerdings noch der Datenschutzerklärung zustimmen, sonst geht da nix. Danach speichert die Webseite Ihren Namen (muss gar nicht der sein, der in Ihrem Ausweis steht), Ihre E-Mail Adresse (egal ob echt oder erfunden), sowie Ihre IP-Adresse (egal ob echt oder verschleiert - ich hab keine Ahnung, ob Sie von Zuhause oder aus einem Internet-Café schreiben). Anders ist es mir nicht möglich zu gewährleisten, dass Sie hier kommentieren können, worüber ich mich sehr freue - denn es ist sehr frustrierend mit den mich sonst erreichenden, meist verwirrenden bis sinnfreien Werbebotschaften allein gelassen zu werden. Vielen Dank dafür, dass Sie da sind!

Noch ein kleiner Hinweis: Kommentieren Sie zum ersten Mal, erscheint Ihr Kommentar erst nach einer Prüfung des Inhalts, einzig um Spam von der Seite fern zu halten, in der Regel dauert das nicht länger als 24 Stunden - dabei handelt es sich nicht um Zensur, sondern um das limitierte Zeitfenster der berufstätigen Person hinter diesem Blog, die Ihnen den ganzen Krempel gratis zur Verfügung stellt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und auf zur Checkbox.