Stimmte auch wieder. „Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, ja? Und wenn ich irgendwie helfen kann, egal womit, lass es mich wissen. Vor allem prüft eure … Pläne vorher mit mir. Oder deinen Eltern. Nur für alle Fälle.“
„Damit ihr uns davon abhaltet?“
„Nein“, sagte ich sofort. „Damit ihr nicht die gleichen dummen Fehler macht, wie wir. Solche, von denen wir euch vielleicht noch gar nichts erzählt haben, weil sie uns so peinlich sind.“
„Was sollte denn bitte noch peinlicher sein, als …“ Clara stockte. „Tut mir leid, so war das nicht gemeint.“
„Autsch“, sagte ich. „Schon okay.“
„Du, ich muss jetzt Schluß machen, bin schon da.“
Ich bedankte mich für den Anruf und wir verabschiedeten uns. War das jetzt gut gelaufen, oder eher nicht? Wusste sie was ich wahrscheinlich wusste? Aber einer Sache bin ich mir absolut sicher: sie verschwieg mir etwas, und das war nicht die Schwangerschaft.
Kinder, Kinder, Kinder.
Bin von der Schlüsselrunde zurück und jetzt weiß ich, was anders ist: ich bin kein bisschen aus der Puste! Allein an den Spaziergängen kann es nicht liegen – ob sich meine Lunge etwa schon von den Kippen erholt? Ich wünschte, es wäre so, wenn nicht alle Empirie dagegen spräche. Wenn ich das jetzt 20 Jahre durchhalte und noch am Leben bin, dann habe ich Schwein gehabt und wieder eine normale Lunge. Und wenn ich Pech habe und der Krebs schneller ist, dann ist hoffentlich die Medizin so weit fortgeschritten, dass sie mir eine Schweinelunge einbauen, oder eine neue klonen kann.
Gehe Schwester Heide aus dem weg, indem ich wie gestern in der Teeküche bleibe und mich durch mögliche Reiseziele für das Familientreffen google. Das beschließe ich jetzt einfach so, weil sich die Kontaktbeschränkungen bei Gruppen auf zwei Familien und höchstens 10 Personen bezieht. Sind wir jetzt nicht sogar alle ein und dieselbe Familie? Eigentlich schon seit 17 Jahren, nur wusste ich halt nichts davon. Und Mutter noch immer nicht. Ganz zu schweigen von einem ganzen Haufen anderer. Patchworkfamilie könnte man es nennen, aber das trifft es nicht, oder? Die wissen ja alle Bescheid. Wir nicht. Aber wie soll Heilung möglich sein, wenn man nicht alle zusammenbringt? Gerade wenn einem die Umstände das Gegenteil nahe legen? Wie lange soll man denn warten? Bis man wie Fichter wieder im Schützengraben sitzt, ohne Erinnerungen im Altersheim?