03.06.20

„Eltern mit mehr Geld und den richtigen Kontakten“, schnaubte Clara.
„Das leuchtet ein.“ Es entstand eine Pause, die mir schon unangenehm wurde, also fragte ich wo sie denn eben gewesen war, dass sie nicht rangehen konnte. Darauf folgte einer Pause, die meiner verdächtig ähnlich war.
„In der U-Bahn, wieso?“, fragte Clara schließlich.
„Weil ich mich darüber gefreut habe“, sagte ich und rang noch nach einer Erklärung.
„Du hast dich darüber gefreut, dass ich nicht gleich rangegangen bin?“
„Ja, genau. Weil … du weißt schon, du dir eine Pause gegönnt hast? So wie ich es euch immer gesagt habe?“ Oh, das war richtig gut. Aber mir ist inzwischen klar, dass sie Verdacht geschöpft hatte, und dieser eine kurze Moment etwas zwischen uns zerstört, oder wenigstens beschädigt haben musste.
„Schule wird sowieso überbewertet“, fuhr Clara fort. „Da lernt man nicht so viel, wie gerade auf der Straße.“
„Du hast es ja bald hinter dir“, warf ich ein.
„Du klingst schon wie meine Eltern!“
„Ähhh …“, machte ich.
„Oh Smörre!“, rief Clara und kicherte endlich. Das war schon viel besser.
„Willst du es etwa so machen wie ich, der bei der mittleren Reife blieb, obwohl ich schon …“
„Obwohl du schon anderthalb Jahre darüber hinaus warst, ich weiß“, sagte sie. „Aber da wusstest du noch nichts von den Kindern in diesem Flüchtlingslager, wie glücklich es dich gemacht hat sie zu bespaßen, dir ihre Geschichten anzuhören.“
„Erzählst du mir gerade mein eigenes Leben? Weil, das kommt mir verdächtig bekannt vor“, sagte ich. Das hatte ich ihnen so oft erzählt, dass ich beinahe selbst dran geglaubt hätte.
„Ich wollte darauf hinaus, dass für mich und Mario – und Dennis eigentlich auch, diese Pandemie einen Bruch darstellt, wie für euch 1989.“
„Das wussten wir aber erst hinterher, Clara.“ Ich spürte, dass sie das nicht überzeugen würde. Und mich überraschte, dass sie Mario vor Dennis erwähnte. Das hatte es noch nie gegeben. „Rückwirkend haben wir verstanden, was da alles in Bewegung gekommen ist.“
„Und das ist es jetzt auch! Ihr habt es doch auch gleich gespürt. Wir wollen jetzt diesen Moment eben nicht verpassen. Vielleicht können wir zu Ende bringen, was ihr versäumt habt.“
„Moment, was?“ Das Gespräch drohte mir gerade komplett zu entgleiten.
„Na ihr habt doch gesagt, dass ihr um die eigentliche Revolution betrogen worden seit. Dass die wahre Wende durch Begrüßungsgeld, Bananen und blühende Landschaftsversprechen versäumt wurde“, fasste Clara zusammen, was sie auch öfter als einmal von uns gehört hatte. Konnten wir denn ahnen, dass sie es behalten würde, um es eines Tages gegen uns zu verwenden? „Den Fehler werden wir jetzt nicht begehen, und dafür sind wir euch dankbar. Die Dinge sind noch in Bewegung, und wir werden die Kugeln ins Rollen bringen.“
„Was für Kugeln denn“, fragte ich besorgt.
„Die Billard-Kugeln? Das war doch dein Beispiel.

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