01.05.20

Jedenfalls bin ich froh, dass ich nicht mehr rauche. Das sollte auch meinen Atem verbessert haben, und das freut mich gerade besonders, weil ich heute zum ersten Mal wieder Walentyna treffen werde. Wir sind zum spazieren gehen bei ihr verabredet. Draußen in Freund kann man wohl schnell aus der Stadt raus und über Felder in Wälder laufen.

Sie wohnt tatsächlich in der Königsberger Straße, gleich gegenüber von der Danziger Straße. Wie in Vilshofen, das kann doch nicht wahr sein! Aus dem Fenster ihrer Wohnung sieht man sogar angeblich eine evangelische Kirche, die sie mir später auf dem Rückweg zeigte, weil ich nicht zu ihr in die Wohnung kommen wollte und lieber unten auf sie wartete. Als sie kam, fragte ich sie: „Hat es hier zufällig noch einen Parkplatz der Baufirma Berger?“
„Nicht dass ich wüßte. Was willst du denn bergen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich bin mehr so der Meer-Typ.“
„Glaube ich dir so fort, du kannst irgendwie nichts vor einem verbergen.“
Wir lachten und machten uns auf den Weg. „Danke, dass du mich aus meiner Wohnung geholt hast“, gestand ich, und die Erleichterung so etwas einfaches zu tun, wie nebeneinander her zu gehen rührte mich beinahe zu Tränen. „Ich bin nur noch dort, in der Klinik oder beim Einkaufen für mich und meine Mutter.“
„Gern geschehen.“ Sie lächelte bezaubernd und ich musste mich zusammenreißen um weiter Abstand zu halten. Anderthalbmeter fühlte sich zu weit an.
Als dann tatsächlich die Häuserreihen in Felder mündeten, an deren Ende sich Bäume abzeichneten, versuchte ich etwas über sie zu erfahren.
„Was ist das schlimmste an deinem Job?“
„Was ist denn das schlimmste an deinem?“
„Ich hab zuerst … lass mich kurz überlegen … dass man … Kinder nicht schützen kann. Wunden versorgen und körperlich gesund pflegen, das geht. Aber oft sehen wir die Ursachen und können nichts ändern. Schlagende oder überforderte Eltern. So was.“
„Jugendamt?“, fragte Walentyna.
Ich seufzte. „Ein Spiegel der Überforderung. Mal sind ihnen rechtlich die Hände gebunden, mal sind sie selbst unfähig, oft wissen sie längst Bescheid. Auf dem Rücken der Kinder wird alles ausgetragen: Rente, Klima… alles bleibt an ihnen hängen.“
Walentyna nickte.
„Und bei dir?“ Sie überlegte kurz, und links von uns rauschten Autos auf der Autobahn vorbei.
„Menschen mit Büchern.“
„In einer Bibliothek?“

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