Rügen – Herbst 2019

Jungs dürfen weiter im Matsch herumtoben, oder beim Fussballspielen die Grasnarbe umpflügen, während Mädchen sauber und nett anzusehen sein sollen. Aber wer sagt das? Ich fand auch damals die Mädchen toll, die das ignoriert haben, weil sie genauso im Dreck Spaß haben wollten, wie die Jungs. Die waren mehr Vorbild für mich, als die größten Dreckschweine unter den Kerlen. Aber Mädchen, die sich selbst gegen solche Typen durchsetzen konnten, weil sie etwas wollten – von denen konnten wir noch etwas lernen.
Anderen Mädchen sah man an, dass sie das auch gerne getan hätten, aber die hatten bereits die mahnenden Worte ihrer Eltern im Ohr, das Mädchen so etwas „nicht machen“. Die spießen dann später die Salatblätter einzeln mit der Gabel auf, nachdem sie sie auf dem Teller vor sich wie Origami zusammengefaltet, gelocht und abgeheftet haben. Dabei kann man auch Salat mit großem Genuss essen, wenn sich die für den Mund zu großen Blätter wie ein aufgespannter Regenschirm an den Lippen einklappen und die Vinaigrette in Strömen über das Kinn läuft.
Allein darauf achtete mein Vater, allein auf das „Wie“, und nie auf die Geschichte dahinter. Denn es gibt immer eine Geschichte dahinter, und die will man hören. Und die hört man nicht im Bett, wenn man miteinander stöhnt, sondern wenn man miteinander kocht. Oder sich zunächst mal abwechselnd bekocht, denn beim Kochen erfährt man am ehesten alles über die Körperbilder, die wir mit uns herumschleppen, und dort, in der Küche, kann man sie auch ablegen, sich seelisch ausziehen und nackiger machen, als im Schlafzimmer nach neuneinhalb Wochen.
Gelernt habe ich das in der Küche, bei meiner Mutter. Aber woher hätte mein Vater das wissen sollen? Dazu ist er ja nicht lange genug geblieben. Gekocht hat er sicher auch nie für sie, oder uns. Zum Essen eingeladen und ausgeführt? Ja, sicherlich. Für ihn war sie nicht mehr als ein Menüpunkt auf der Karte, wo sich die Nummern der Gerichte mit den Stellungen im Bett überschnitt. „Ich nehme die 69.“ – Ha, ha, sehr lustig.
Wo und wann das wohl seinen Anfang genommen hatte? Schon vor oder erst nach meiner Mutter? Hat er… noch andere zu Müttern gemacht, von denen ich nichts weiß? Ich weiß nicht mal ob ich die Antwort darauf wissen will. Wenn sich die Art und Weise was für Sex du haben möchtest schon an der Wahl zwischen Restaurant und Imbissbude festmachen lässt. Französisch, Griechisch oder Italienisch? Döner? Pommes? Currywurst? Grauenhaft.
Nein, mein Credo (was meine Mutter mir gesagt hätte, wenn ich eine Tochter gewesen wäre) ist: „Jeder Kerl kann wie ein Schwein essen. Deshalb schau ihnen beim Kochen zu. Wirf Blicke in ihren Kühlschrank, auf das Gewürzregal, beobachte sie beim Abspülen.“

Auch wie jemand tanzt erzählt viel über das eigene Körperbild. Nicht wie in der Disco, sondern im eigenen Zimmer, wenn man sich unbeobachtet fühlt. Öffentlich kann man sich auch eine andere Identität überstülpen, einer Choreographie folgen, die man in einem Video gesehen und einstudiert hat. Aber die eigenen Bewegungen? Die tanzt man einfach so, wie man als Kind bei einer Kissenschlacht auf den Betten herumgehüpft ist, und eher selten vor dem Spiegel.

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