War jetzt noch schnell Schokolade gekauft. Vielleicht lässt sich mein Gespenst so besänftigen? Ja, ich weiß dass das Quatsch ist, aber wenn man alleine reist, und obendrein das Appartement nachts größer wirkt, als es tagsüber ist, mit den ganzen dunklen Ecken und Schatten, dann scheint eine Tafel Schokolade keine allzu große Investition zu sein. Gut angelegtes Geld, würde ich sagen. 280g. Zur Sicherheit. Mit ganzen Nüssen.
Zweiter Tag
Bessere Vorbilder waren die ganze Zeit um uns herum gewesen, Ersatzväter, nur keine biologischen. Damit war ich nicht alleine, nur konnte ich es bei anderen eher akzeptieren. Daniel hatte seinen in Talmüller gefunden, Lukas in Geistler, und ich suchte weiter, keiner hatte mir genügt, weil ich meinen Vater überlebensgroß imaginiert hatte. Suchomel war dann endlich ein echter Kandidat, und war sogar einen Kopf größer. Ganz sicher ist es auch Heßler heute für mich, aber damals, als ich am meisten einen gebraucht hätte, war keiner da, weder der echte, noch ein Ersatzvater. Mutter war mir beides und noch viel mehr: sie hörte auf nur meine Mama zu sein, und wurde die meiner besten Freunde gleich mit.
Wenn mein Vater wenigstens ein Pilot im Krieg gewesen wäre, wie der von Garp aus John Irving’s Roman. Den hat mir Mama früh zu lesen gegeben, und ich habe lange einen Bogen darum gemacht, weil ich wusste, dass sie dabei mehr als einmal geweint hat. Dann siegte irgendwann die Neugier über die Angst, und ich fand heraus, dass sie gar nicht weinte, weil das Buch so traurig war, sondern weil sie so viel von sich darin wiederentdeckte, und daraus Kraft schöpfen konnte. Das tat ich dann auch, und wir verschlangen danach alle seine Bücher und jedes neue, noch bis in die 90er Jahre hinein, auch wenn für uns keins mehr an dieses eine heran kam. Wie denn auch? Es ging ja um uns!
Heute bin ich am Pier in die andere Richtung gelaufen. Das, was ich dann dort für Toiletten unter einem Pilzhut gehalten habe, ist angeblich eine Bühne. Dann wird es aber grüner, schöner, der Kies knirscht unter den Schuhen, dann wird es ruhig genug, das man die Brandung wahrnimmt. Sonst könnte man fast meinen, dass man an der Vils spazieren geht. Schon irre, wie man überall, egal wo man ist, nach Anhaltspunkten Ausschau hält, die einen an Orte erinnern, an denen man einmal gewesen ist.
Ach sie an, wie schön: “wheels within wheels, in a spiral array“… Und dann ist man schon am Strand. Halt nur ohne Sand, es sei denn man bringt sehr, sehr viel Zeit mit. Große Kieselsteine, so weit das Auge reicht. Wird ganz schön anstrengend darauf zu laufen nach einer Weile. Hatte vor bis zum Königsstuhl zu laufen, und bin mir nicht sicher ob ich dafür weit genug gelaufen bin. Da ist ja vorher schon reichlich Kreidefelsen an dem man vorbei läuft, und Bäume die so aussehen, als hätten sie sich von der Klippe in den Tod gestürzt. Bestimmt Lemming-Bäume.