11. Dezember 2019 – Frühschicht

Als ich eine ältere Schwester um Rat fragte, lachte die mich beinahe aus, und sah mich an wie ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert, das sich versehentlich in ihre Zeit verirrt hatte. „Seid ihr aus Bayern alle so drauf?“ – Ich verneinte, kam darüber aber erst recht ins Grübeln. Aber die waren im meinem Alter auch schon alle verheiratet gewesen, und heiraten kam für mich natürlich auch nicht in Frage.
Schließlich gab ich nach, denn was hatte ich schon zu verlieren?
Also abgesehen von meiner Unschuld? Schuldig fühlte ich mich schon wegen so vieler Dinge, darunter fiel Sex ohne Liebe gar nicht weiter auf. Wer weiß, vielleicht macht Sex haben ja sogar Spaß? Möglicherweise war ich da etwas auf der Spur.
Was soll ich sagen, unser erstes Mal war wundervoll. Denn es war auch für sie der erste Sex gewesen. Und dann der zweite, dritte und so weiter. Wir hielten es geheim, glaubten wir, so gut wir konnten, konnten aber nicht voneinander lassen, kaum das wir damit begonnen hatten.
Einmal waren wir so schnell es ging nach einer Übung auf mein Zimmer im Schwesternwohnheim verschwunden, dass uns unterwegs keine Menschenseele begegnet ist. Wir schlüpften ungesehen durch die Tür, und dann noch schneller aus unseren Klamotten. Es war wundervoll, viel Haut und Haar, Arme, Beine über und untereinander, Küsse, schnuppern, tasten, viel Hin- und Zugabe. Wenn wir draußen auf dem Gang jemanden hörten, verharrten wir ineinander verknotet so leise atmend wie wir konnten, und vertieften uns danach sofort wieder ineinander. Als wir uns dann irgendwann wieder angezogen hatten, konnte ich meine Schlüssel nicht finden. Der Schlüsselbund musste mir unterwegs aus der Hose gefallen sein. Aber wie waren wir dann überhaupt ins Zimmer gekommen? Des Rätsels Lösung war denkbar einfach: er steckte noch immer von außen in der Tür.
Danach war uns klar, dass es längst alle wussten, und wir mit unserem spionagehaften Vorgehen, mit all den geheimen Handzeichen und Kopfnicken vor allem nur uns selbst etwas vorgespielt hatten.
Als die erste Lust langsam nachließ, wusste ich, dass es irgendwann mehr bräuchte, um zusammen zu bleiben. Ich wollte mich in sie verlieben und nahm ihre Einladung an sie zu Hause zu besuchen. Das war ein Fehler, denn was im Schwesternwohnheim noch den Hauch von etwas verbotenem hatte, wurde hier plötzlich spießig und banal. Das Begehren war weg, und die Liebe noch nicht da. Ich nahm sie zwar in den Arm und alles, aber wenn sie mehr wollte wurde ich abweisend, zog mich zurück. Das muss schrecklich für sie gewesen sein, und ich sehnte mich nach der Leichtigkeit unserer ersten Tage zurück, verstand nicht, wie die verflogen sein konnte.

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