06. Dezember 2019 – frei

Ein paar Tage später, erneut beim Geistler, bat er uns nach hinten um ihm beim irgendwas Tragen zu helfen, und dann fragte er uns gerade heraus, ob denn alles geklappt hätte. Lukas und ich sahen einander an und noch dümmer aus der Wäsche.
„Ja, Himmelherrschaftszeiten, ihr Deppen! Der Schlüssel is fia eia Postfach in Plattling, und jetzt schleicht’s eich!“
Bedröppelt und beschämt fuhren wir hin und es war nur ein an Geistler adressierter Brief drin. Nachdem wir eine halbe Stunde diskutiert hatten, ob wir ihm den nun zum Öffnen zurück bringen, oder ihn selbst aufmachen sollten, riß ich ihn einfach auf. Darin war ein Brief von Daniel. Er verriet uns nicht wo er war, nannte weder Namen noch Adressen, aber ansonsten stand darin unverschlüsselt alles, was wir wissen mussten.

Später erfuhren wir dann, dass er Geistler telefonisch bekniet hatte, doch bitte das Postfach auf dessen Namen einzurichten, und mir den Schlüssel anonym zu schicken. Dafür war er extra nach Köln gefahren, um von dort aus einer Telefonzelle anzurufen. So sehr fürchteten sie immer noch, dass man ihnen auf den Fersen sein könnte. Es brauchte mehrere Anläufe, aber irgendwann hatte er ihn dann so weit. Vielleicht weil es der Anruf aus Frankfurt am Main gewesen war, in dem er Geistler dafür Geld angeboten hatte, was ihn schließlich dazu bewog sich auf den Weg ins für ihn ferne Plattling zu machen.
Als Geheimagenten taugten wir alle nicht die blaue Bohne, die uns zu Fall bringen würde, aber auch ohne fühlte sich das alles spannender an, als es tatsächlich war. Tatsächlich war es nur doof. Aber auf eine sympathische Art.

Den gefühlt treffendsten Vergleich, der unserer Situation gerecht wurde, machte Lukas, als er sich mit Mike aus Stephen King’s „ES“ verglich. Denn bei uns war er derjenige, der allein in dem verwunschenen Kaff blieb und die Stellung hielt. Aber wer oder was war dann das Monster?
In meinem Kopf war ich das Monster, und blieb es. Lukas half uns sogar noch beim Umzug, schleppte Möbel und Kartons, und fuhr den Umzugslaster alleine zurück nach Vilshofen. Beim Abschied sah ich zu ihm auf, wie er in der Führerkabine saß und versprach, dass wir im Sommer mit Monika nach Berlin fahren würden. Immerhin das Versprechen habe ich halten können.
Ach ja, und ich hab ihm den Schlüssel mitgegeben, denn von nun an würde er sich um das Postfach in Plattling kümmern, über das Daniel so überraschend Kontakt mit uns aufgenommen hatte.

© Jens Prausnitz 2022

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